Neues Vertrauen in Europa schaffen: Ein Überblick
Tools for Changemakers 2019
04/08/2019In Caux stehen die Menschen im Mittelpunkt und dessen bedarf es auch für Europa.
Barbara Hintermann, 14. Juli 2019
Die erste Konferenz „Tools for Changemakers“ des Caux Forums fand vom 14.-18. Juli 2019 statt. Sie bildete eine Weiterführung der Konferenz „Damit Europa kein unvollendeter Traum bleibt“ und war der Beginn eines neuen dreijährigen Konferenzzyklus ïn Europa. Dieses Jahr lag der Schwerpunkt auf den Zusammenhängen zwischen persönlicher und gemeinsamer Identität, wobei der Mensch im Mittelpunkt stand. Ziel war es, zu zeigen, wie eine gemeinsame Geschichte geschrieben werden kann, die auf Gerechtigkeit und Fakten beruht, um einem zunehmend erstarkenden Populismus und Nationalismus in Europa entgegenzuwirken.
Unsere persönliche Identität entdecken
Die beiden ersten beiden Konferenztage befassten sich mit dem Thema der Identität als Faktor für Inklusion und Ausgrenzung. Während sie einigen Gruppen ein Zugehörigkeitsgefühl verschafft, wird sie von anderen als Rechtfertigung für Fremdenfeindlichkeit und der Ablehnung anderer genutzt. Senator Bogdan Klich, Vorsitzender der Opposition im polnischen Senat und Vizepräsident des Senatsausschusses für auswärtige Angelegenheiten, betonte zudem den Zusammenhang zwischen einem Aufstieg des Nationalismus, der Ausgrenzung bestimmter Gruppen und der Erosion des demokratischen Systems.
„Wir müssen damit anfangen, auf die Menschen zuzugehen, mit denen wir uneins sind, denen wir misstrauen oder die wir fürchten“, sagte Jens J. Wilhelmsen, der für die Bewegung Initiativen der Veränderung arbeitet. Dieser Prozess müsse nicht nur alle Generationen umfassen, insbesondere junge Entscheidungsträgerinnen und -träger, sondern auch alle Kulturen und Religionen, um grenzübergreifende Bewegungen für Demokratie und Menschenrechte zu stärken.
Diese Ideen standen auch im Mittelpunkt der beiden parallel laufender Lernprogramme Learning to be a Peacmaker und dem Young Ambassadors-Programm 2019.
Der Austausch von Erfahrungen wurde als Werkzeug eingesetzt, um Teilnehmende zu ermutigen, über ihren eigenen Weg nachzudenken und ihre Beziehung mit anderen zu vertiefen. Mounir Beltaifa, Vizepräsident von Initiativen der Veränderung International und Gründer von Bridgers One, Agnes Otzelberger, Trainerin und Vermittlerin, und Louie Gardiner, Leiterin von Presence In Action (PIA) CIC Collective und Potent 6, sprachen über Identität aus der Sicht ihres eigenen persönlichen Wandels. Das Verständnis der Abhängigkeit von anderen und unserer Umgebung sei ein erster Schritt zu Demut und Aufrichtigkeit, aber auch zu einem befreiten und erfüllten Leben.
Ich habe zum ersten Mal gelernt, dass ich zum heilen den anderen brauche, dass ich zum heilen meinen Feind brauche.
Arshalouys Tenbelian, 16. Juli 2019
Unsere Beziehung zu anderen entdecken – unsere gemeinsame Geschichte
Beim zweiten Konferenzthema ging es darum, wie sich unsere Gefühle und Identität in der Beziehung zu anderen entwickeln.
„Niemand wird mit Hass geboren, man lernt zu hassen. Und so wie man das Hassen lernen kann, kann man es auch wieder verlernen“, sagte die Armenierin Arshalouys Tenbelian, Kommunikationsexpertin und Co-Präsidentin der Armenisch-kurdisch-türkischen Friedensinitiative. Beim Caux Forum 2017 traf sie Burak Han Çevik, einen türkischen Anwalt für Immigration, der für die konsularischen Vertretung des niederländischen Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten arbeitet. Diese Begegnung und die gemeinsamen Diskussionen liessen sie ihren Hass überdenken und zum ersten Mal in ihrem Leben schloss sie eine Freundschaft mit einem Türken, „einem Feind“. Dieses Jahr arbeiteten sie gemeinsam im Rahmen des Armenisch-kurdisch-türkischen Dialogs zusammen, einem Programm, das versucht, Vorurteile zu hinterfragen, um Frieden zu schaffen.
Auch Kunst kam während der Konferenz zum Einsatz, um unsere Beziehung mit unserer Vergangenheit und anderen anzugehen. Die britische Künstlerin Lynne Barker näherte sich dem Konzept von Identität und Tradition mit Puppen, die für die Mythen und Werte einer Gesellschaft stehen, während Mark Isserles dem Thema Erinnerung in seiner Oneman-Show „Rettet die Kinder“ auf die Spur ging. Mit Liedern, persönlichen Schilderungen und Fotos wird hier die Geschichte seiner ungarischen und jüdischen Grosseltern erzählt, die 1944 nach Caux kamen.
Eine gemeinsame Geschichte verfassen
„Wir müssen eine neue Geschichte entwickeln und erzählen“, sagte John Bond, Sekretär von Initiativen der Veränderung International und Schriftsteller, als er das dritte Konferenzthema einführte.
Nachdem aufgezeigt wurde, welche Auswirkung unsere persönliche Identität sowie der Einfluss anderer Menschen auf unsere Erfahrungen haben, befasste sich das Plenum am 17. Juli mit der Bedeutung einer gemeinsamen Geschichte.
„Die Welt besteht aus unseren Geschichten, die zusammengenommen eine dominanten Narrative bilden“, erklärte Jean Brown von Creators of Peace. Gemeinsam von Anne-Claire Frank-Seisay, ebenfalls von Creators of Peace, leitete sie eines der fünf parallel stattfindenden Trainingskurse mit dem Titel „Geschichten neu schreiben“. Sie hoben das Potenzial jedes einzelnen Menschen bei der Schaffung einer neuen Geschichte hervor. Durch aufmerksames Zuhören und den Austausch verschiedener Perspektiven sei es möglich, Integrität und Ehrlichkeit hinsichtlich der Vergangenheit zu fördern und Frieden zu verteidigen. Die wichtigsten Werte bei der Neuschreibung der Geschichte seien hierbei Vergebung, Gerechtigkeit und Zuhören.
Die anderen Trainingskurse befassten sich mit Theater (mit Olena Rosstalna und Olha Boiko), „Präsenz in Aktion“ (mit Louie Gardiner und Su Riddell), der Frage nach dem "Dran bleiben" mit Agnes Otzelberger oder der Arbeit mit Unterschieden mit Neil Oliver, um den Teilnehmenden neue Werkzeuge für den Aufbau von Vertrauen und sozialer Kohäsion in ihrem Umfeld an die Hand zu geben.
Geschichte kann, trotz der vielen Schmerzen, nicht rückgängig gemacht werden. Aber wenn man ihr mit Mut begegnet, muss man sie nicht erneut durchleben.
Maya Angelou
„Veränderung beginnt bei mir.“
Die erste Ausgabe der Konferenz „Tools for Changemakers“ zeigte das Potenzial eines jeden einzelnen Menschen auf, Frieden zu fördern. „Veränderung beginnt bei mir“: Veränderung beginnt damit, an der eigenen Identität und Vergangenheit zu arbeiten, wie wir sie erzählen, wie wir damit leben und wie wir sie weiterverfolgen. Veränderung ist auch untrennbar mit unseren Beziehungen zu anderen verknüpft. „Eine gemeinsame Geschichte zu verfassen“ ist daher notwendig, um Solidarität auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene zu schaffen. Bei der zweiten Ausgabe der Konferenz wird das Thema auch weiterhin im Zentrum stehen und sich schwerpunktmässig mit Dialog befassen.
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Report: Apolline Foedit
Photos: Leela Channer