Jens Wilhelmsen: IofC-Werte als Werkzeug für Veränderung
Tools for Changemakers 2019
04/08/2019
Nachdem er gegen die deutsche Besatzung seiner Heimat Norwegen gekämpft hatte, arbeitete Jens Wilhelmsen mit Initiativen der Veränderung (IofC) in Deutschland und Japan. Mehr als 70 Jahren lang engagierte er sich als Vollzeitarbeiter für IofC auf drei Kontinenten auf Vertrauensbildung und Aussöhnung. Nicole Walther traf ihn beim Caux Forum 2019, wo er bei der Eröffnung der Konferenz Tools for Changemakers sprach.
Jens Wilhelmsen war nicht der einzige, der nach dem Zweiten Weltkrieg und mit Beginn des Kalten Krieges Hoffnungslosigkeit und Enttäuschung verspürte. Er hielt eine Aussöhnung Europas für aussichtslos. Aber statt in politische und persönliche Lethargie zu verfallen stiess er auf die Werte von IofC: Ehrlichkeit, Selbstlosigkeit, Liebe und eine Reinheit der Motive. Weil er die Gesellschaft um sich herum nicht ändern konnte, nutzte er diese als Werkzeuge seiner persönlichen Veränderung. Das gab ihm Kraft: „Es gibt endlich etwas, das ich tun kann.“
Jens sass mit vier Blättern Papier auf seinem Bett, ein Blatt pro Wert, und schrieb alle Momente auf, in denen er nicht ehrlich, selbstlos, liebevoll oder klar gelebt hatte. „Als die Liste länger wurde, war ich beunruhigt: Ich hatte meinen Stiefvater betrogen, Geld gestohlen, meine Freunde belogen, nur um mich selbst gut darzustellen.“ Obwohl es beängstigend war, all diesen Leuten die Wahrheit zu sagen, entschloss er sich dazu: „Ich musste von meinem Podest runtersteigen.“ Seine Freundschaften wurden dadurch echter und er konnte sich mit Mitgliedern seiner Familie aussöhnen.
Jens sagt, diese Standards seien kein Allheilmittel und könnten nicht unmittelbar jedes Problem lösen, aber sie „rühren auf und sorgen dafür, dass sich Muster verändern“. Solche Veränderungen sind seiner Meinung nach in der aktuellen sozialen und politischen Situation entscheidend, in der eine Zunahme des Nationalismus in Europa beobachtet werden kann und die Zeit für den Kampf gegen den Klimawandel läuft.
„Die Europäische Union wurde auf dem Fundament der Aussöhnung und dem Versprechen von Nationen gegen Nationalismus begründet“, sagt er. „Zur Zeit hat die Wirtschaft gegenüber der Aussöhnung die Oberhand. Dies liegt am Wunsch nach besseren Lebensstandards.“ Da Wohlstand bei der europäischen Gesellschaft und dem Handeln der Menschen in den Mittelpunkt gerückt sei, sei Einheit verloren gegangen und Nationalismus entstanden. Dieses Muster müsse durchbrochen werden. Jens glaubt, die vier Werte von IofC könnten bei diesem Prozess eine grosse Wirkung erzielen.
Die Werte Ehrlichkeit, Selbstlosigkeit, Liebe und Reinheit sollten hierbei nicht als Dogma verstanden werden, sagt er, sondern als Werkzeug, um Handlungen einen Rahmen zu geben, wie beispielsweise im Einsatz für die Zukunft Europas und bei der Umweltkrise. „Sie sind der Versuch, sowohl Ethik als auch eine Art Kompass an die Hand zu geben, um einen besseren Weg zu finden.“
Text: Nicole Walther
Fotos : Nicole Walther und Leela Channer