Ein Weg zu Frieden und Wohlstand in West- und Zentralafrika
Caux-Dialog über Umwelt und Sicherheit 2021
11/08/2021
Im Rahmen ihrer Partnerschaft organisierten Initiativen der Veränderung Schweiz (IofC) und die Abteilung Frieden und Menschenrechte des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) ein Webinar zum Thema „Förderung politischer und gemeinschaftsbasierter Lösungen für die Landbewirtschaftung in West- und Zentralafrika: ein Weg zu Frieden und Wohlstand“.
Das Webinar fand am 21. Juli 2021 im Rahmen des Caux Forum Online 2021 statt und schloss sich an die vorangegangenen Webinare vom 10. Juli 2020 zum Thema „Land und Sicherheit in der afrikanischen Subsahara“ (Zusammenfassung, Video) und vom 2. Dezember 2020 zum Thema „Bodenpolitik in der Sahelzone" (Zusammenfassug Video) an.
Unter dem Vorsitz von Luc Gnacadja (Benin), Gründer und Präsident des Think Tanks GPS-Dev (Governance & Policies for Sustainable Development), ehemaliger Exekutivsekretär der UNCCD (2007-2013) und ehemaliger Minister für Umwelt und Stadtentwicklung von Benin (2004-2007), brachte das Webinar mehrere Personen zusammen, die sich intensiv mit der Sicherung von Land und Frieden in der Sahelzone befassen:
- Boubacar Ba, Direktor des Centre d'Analyse sur la Gouvernance et la Sécurité au Sahel/NGO Éveil, Mali.
- Ousseyni Kalilou, Ko-Vorsitzender der Forest Interest Group (FIG), Environmental Peacebuilding Association (EnPAX), Niger/USA.
- Salima Mahamoudou, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Global Restoration Initiative, World Resources Institute, Washington DC, USA/Niger
- Abdoulaye Mohamadou, Exekutivsekretär, Ständiges zwischenstaatliches Komitee zur Bekämpfung der Dürre in der Sahelzone (CILSS), Burkina Faso.
Der Workshop betonte die enge Verknüpfung zwischen den verschiedenen Bedrohungen, mit denen West- und Zentralafrika konfrontiert ist: Ernährungsunsicherheit, Armut, Umweltzerstörung, Klimawandel, schwache Regierungsführung, gewalttätiger Extremismus, bewaffnete Konflikte und die immer noch kaum verstandenen Folgen der Covid-19-Pandemie.
In einer Region, in der die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung von Regenfeldbau und Naturweidewirtschaft abhängt, stellt sich vor allem eine Frage: Verstärkt die Landbewirtschaftung die Unsicherheit der Bevölkerung oder können ihre Erfolge und Misserfolge Anlass zu tiefgreifenden Überlegungen über die notwendigen politischen Veränderungen in einer Zeit sein, in der gewalttätiger Extremismus vor allem auf Gebiete abzielt, die reich an natürlichen Ressourcen sind? Wie können wir der Gewalt vorbeugen?
In seiner Einführung in das Webinar erinnerte Luc Gnacadja an die Erklärung von Bamako vom Februar 2019, in der sowohl die afrikanischen Staaten als auch die Zivilgesellschaft dazu aufriefen, entschieden auf die Bodendegradation und die Auswirkungen des Klimawandels in der Sahelzone zu reagieren. Die nachhaltige Bewirtschaftung agrarökologischer Systeme von Kleinbäuerinnen, Kleinbauern sowie Viehzüchterinnen und Viehzüchtern bilde die Grundlage für eine wirksame Strategie zur Verhinderung und „Verringerung von Konflikten im Zusammenhang mit der Ressourcennutzung“, heisst es in der Erklärung. Da in der Region bereits zahlreiche Methoden zur Renaturierung des Bodens angewandt würden, sei es von wesentlicher Bedeutung, sich auf regionaler Ebene zusammenzuschliessen, um Konzepte zu entwickeln und Massnahmen anzuregen, die neue Perspektiven für eine nachhaltige Landbewirtschaftung eröffneten
Boubakar Ba ist der Ansicht, dass die Komplexität der Bodenpolitik nur durch ein genaues Verständnis der lokalen und regionalen Gegebenheiten wirksam angegangen werden könne. Am Beispiel des inneren Nigerdeltas in der Region Mopti in Mali verdeutlichte er, wie die Ungleichgewichte in der Koexistenz von Weide- und Landwirtschaft und die weit in die Vergangenheit zurückreichenden Landkonflikte heute entweder zu Lösungen führen oder die Gewalt anheizen könnten, je nachdem, wie sie gehandhabt würden. In einer Situation von Landraub und bewaffneten Konflikten nannte Boubakar Ba – aus seiner persönlichen Erfahrung heraus – den Dialog mit den „neuen Herren“ als notwendigen Schritt ist, um einen Konsens über die Methode der Konfliktlösung und die endogene Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen zu erreichen und den Menschen zu ermöglichen, auf das Land zurückzukehren und es zu nutzen.
Ousseiny Kalilou wies auf die Bedeutung der Gummi arabicum-Produktion in der Sahelzone hin, die unter den Bedingungen von Umweltstress ein Faktor sowohl für den Klimaschutz (die Akazie bindet Stickstoff im Boden) als auch für die Bewältigung der Ursachen von Gewaltkonflikten durch lokale Gemeinschaften sein könne. Da Gummi arabicum eine Quelle der wirtschaftlichen Existenz und eine von multinationalen Organisationen begehrte natürliche Ressource sei, biete die Zusammenarbeit innerhalb der Gemeinschaften und mit externen Akteurinnen und Akteure zur Regulierung des Sektors die Möglichkeit, den sozialen Zusammenhalt rund um diesen Akazienbaum zu stärken. Die zwischenmenschlichen Beziehungen stünden also im Mittelpunkt dieser Tätigkeit, auch in Spannungsgebieten.
Salima Mahamoudou betrachtete die Wiederherstellung von Land aus einer wirtschaftlichen Perspektive: Jedes Land habe einen Marktwert, und seine Wiederherstellung könne sowohl unmittelbare Vorteile als auch ungesunden Wettbewerb oder andere negative Auswirkungen haben. Landbesitzende, die das von ihren Pachtenden wiederhergestellte Land zurückforderten, vertrieben die Pachtenden ohne angemessene Entschädigung. Es sei wichtig, dass gewohnheitsrechtliche Vereinbarungen eingehalten würden, da gerade die schwächsten Bevölkerungsgruppen (Frauen und Jugendliche) von solchen Praktiken am meisten betroffen seien. Gesprächsforen auf lokaler und nationaler Ebene seien für die Schaffung kohärenter Programme zur Landrückgabe daher unerlässlich.
Schliesslich zeichnete Abdoulaye Mohamadou ein umfassendes Bild der verschiedenen Schwierigkeiten, mit denen die Länder konfrontiert seien, wenn sie versuchten, den immensen Reichtum der natürlichen Ressourcen der Sahelzone zu schützen, zu kontrollieren und voll auszuschöpfen. Die grösste Sorge bereite den Regierungen die Grenzgebiete, in denen sie mit unterschiedlichen Rechtssystemen zurechtkommen müssten. Diese Situation erfordere unbedingt eine regionale Koordinierung und eine Politik des Dialogs auf allen Ebenen der Entscheidungsfindung, insbesondere unter Einbeziehung der Akteurinnen und Akteure vor Ort. Nur eine gross angelegte Bürgermobilisierung unter Einsatz modernster Technologien und auf der Grundlage konkreter und erfolgreicher Experimente würde den Bedürfnissen gerecht werden können. „Wir müssen dringend einen afrikanischen IPCC (zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen) schaffen“, schloss er.
In der anschliessenden Diskussion betonten die Diskussionsteilnehmenden die Notwendigkeit, die angesprochenen Probleme gezielt und konkret anzugehen und die lokalen Gemeinschaften aktiv in die Lösungsfindung einzubeziehen. Darüber hinaus seien nicht so sehr die Umweltbedingungen selbst entscheidend für Frieden und Sicherheit, sondern deren Steuerung. Da überall Machtverhältnisse bestünden (auch in Spannungsgebieten), sei es wichtig, sie zu flexibilisieren und, wo immer dies möglich ist, in den Dialog zu treten: dort, wo der Staat präsent sei, dort, wo er es nicht sei, dort, wo der Privatsektor aktiv sei (vor allem durch Kleinst-, Klein- und Mittelbetriebe), dort, wo traditionelle Strukturen zum Nutzen der Gemeinschaft wirkten, dort, wo Konflikte drohten und dort, wo sie bereits ausgebrochen seien.
Nur wenn man sich des Zusammenhangs zwischen der Landbewirtschaftung und der Gefahr von Krieg oder Frieden bewusst sei und alle betroffenen Akteurinnen und Akteure einbeziehe, könne man Fortschritte erzielen.
Alle betonten, dass diejenigen, die von der Gesellschaft zurückgelassen würden (insbesondere Frauen und Jugendliche), integriert werden müssten, da sie es seien, die mit dem Land verwurzelt seien und für dessen Fortbestand sorgten, egal was passiere.
Diese Menschen und das Land, das sie bewirtschaften, seien der Ausgangspunkt, von dem aus die notwendige Ausweitung der bewährten Praktiken angegangen werden könne – von den Nationen und mit der Unterstützung aller.
Organisation des Events
Dr. Alan Channer, Spezialist für Friedensförderung, Umwelt und Kommunikation (UK/Frankreich), ist einer der Organisatoren der Caux-Dialoge über Umwelt und Sicherheit seit deren Beginn und intiierte ausserdem die Sommerakademie zu Land, Sicherheit und Klima im Jahr 2019 in Partnerschaft mit dem Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP).
Carol Mottet, Beraterin in der Abteilung Frieden und Menschenrechte des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), ist für ein Programm zur Prävention von gewalttätigem Extremismus zuständig. Da Landfragen zu den Hauptursachen von Gewalt gehören, trägt dieses Programm dazu bei, Umwelt-, Sicherheits- und Friedensspezialisten bei der Suche nach einer gemeinsamen Lösung miteinander zu vernetzen.
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Foto: Noah Elhardt via WikiCommons