Ein achtsamer Lebensstil ohne Müll
Von Hajar Bichri
28/01/2022
Wie wurde Sofia Syodorenko Teil der Zero-Waste-Bewegung und was bedeutet sie ihr? Sie ist Vorsitzende von Foundations for Freedom und Vertreterin der Zero Waste Alliance Ukraine. Während des Caux-Dialogs über Umwelt und Sicherheit im Jahr 2021 moderierte sie einen Online-Workshop über Plastik und Einwegkonsum.
Warum haben Sie sich dafür entschieden, einen abfallfreien Lebensstil zu verfolgen?
Um ganz ehrlich zu sein, war ich dank meiner Mutter schon immer eine Art Zero-Waste-Mensch. Sie wies mich stets daraufhin, wenn Ressourcen unvernünftig genutzt wurden – Wasser, das ohne Zweck läuft, Licht, das angelassen wird, Lebensmittel, die weggeworfen werden. Aufgrund dieser Erziehung habe ich begonnen, mich für Umwelt- und Abfallfragen zu engagieren.
Bei der Abfallvermeidung geht es nicht um ein winziges Plastikgefäss, das nicht recycelt werden kann; es geht nicht darum, auf die meisten Dinge zu verzichten, die wir lieben. Bei der Abfallvermeidung geht es darum, achtsam zu sein – achtsam gegenüber Dingen, die wir brauchen und nicht brauchen, gegenüber Ressourcen, die nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen, gegenüber der Natur, zu der auch wir gehören. Auf der Grundlage dieses Prinzips können wir viele wunderbare Ansätze für so alltägliche Dinge wie das Abfallmanagement entwickeln.
Wie praktizieren Sie das im Alltag?
Lassen Sie uns dafür exemplarisch meinen Tagesablauf betrachten. Ich wache morgens auf und wasche mich. Ich benutze eine Zahnbürste aus Bambus, die ich später auf den Kompost gebe. Meine Zahnpasta ist in einem Glasgefäss, das ich neu befüllen lassen kann. Ich benutze ein einfaches Stück Seife anstelle von Duschgel. Dann gehe ich in die Küche, koche Kaffee in einer französischen Presse und esse, worauf ich Lust habe (die meisten Lebensmittel, die ich esse, stammen aus lokalem Anbau: Ich esse sie nicht nur, weil es umweltfreundlich ist, sondern auch, weil das ukrainische Essen wahnsinnig lecker ist).
Danach gehe ich mit meinem Hund spazieren, verwende Papiertüten, um sein „Geschäft“ einzusammeln, und komme wieder nach Hause zur Arbeit. In der Zeit vor der Pandemie bin ich zu Fuss, mit dem Fahrrad oder dem Bus zur Arbeit gefahren, aber jetzt arbeite ich von zu Hause aus, das ist einfacher. Abends lese ich normalerweise etwas, sehe mir etwas an oder trinke ein gutes lokales Bier aus einem Glas.
Ich gehe nicht gern Shoppen. Ich besitze nicht viele Dinge oder Kleidung. Wenn ich etwas nicht brauche, spende ich es; wenn ich etwas brauche, frage ich zuerst die Re-Use-Community oder meine Freunde, und kaufe es nur, wenn sie mir nicht weiterhelfen können. Wenn ich Lebensmittel einkaufe, verwende ich meine eigenen wiederverwendbaren Taschen, Gläser und Behälter.
Verstehen Sie mich nicht falsch, auch ich produziere Müll. Es geht dabei vielmehr darum, Verschwendung zu erkennen und die Ursachen zu bekämpfen, nicht die Folgen. Wir fordern also die Hersteller auf, die Art und Weise zu ändern, in der sie ihre Waren an uns verkaufen, und wir fordern die Kommunen auf, Massnahmen zu ergreifen, die die Unternehmen dazu anregen, weniger zu verschwenden.
Erzählen Sie uns von der Initiative, die Sie ins Leben gerufen haben.
Wir begannen mit der Gründung einer lokalen NRO und arbeiteten mit der lokalen Gemeinschaft, Unternehmen, Herstellern und der Stadtverwaltung zusammen. Dann haben wir uns mit gleichgesinnten NROs aus anderen ukrainischen Städten zusammengetan und die Zero Waste Alliance Ukraine gegründet, die jetzt Teil eines grossen europäischen Netzwerks, Zero Waste Europe, und eines grossen globalen Netzwerks, Break Free from Plastic, ist.
Wir setzen unsere Arbeit auf lokaler Ebene fort und unterstützen auch andere NROs, die im Bereich der Abfallwirtschaft tätig sind. Wir hoffen, dass wir das System Stück für Stück zum Besseren verändern können.
Warum sollte uns das alle etwas angehen?
Bei Zero Waste geht es nicht um wiederverwendbare Becher und wiederverwendbare Taschen. Es geht darum, respektvoll und achtsam zu sein. Es gibt diesen wunderschönen Ort namens Planet Erde. Er verfügt über eine Vielzahl äusserst nützlicher Ressourcen, die wir gerne nutzen können. Aber wenn wir diese Ressourcen gierig und gedankenlos nutzen, werden wir mit den Konsequenzen konfrontiert – und die können unerwartet und fatal sein. Wir haben eine Chance, Dinge zu ändern: Es liegt an uns, ob wir sie nutzen.
Können Sie Anfängern, die mit Zero Waste beginnen, einige Tipps geben?
Zunächst einmal sollte man das Konzept Zero Waste nicht wörtlich nehmen und nicht denken, dass Zero Waster keinen Müll produzieren. Denn das tun wir. Beginnen Sie damit, die Dinge zu bemerken, die Sie umgeben. Brauchen Sie sie? Benutzen Sie sie? Tragen Sie sie? Machen sie Sie glücklich?
Zweitens: Werfen Sie einen Blick in Ihren Mülleimer, er ist eine gute Informationsquelle. Sie werden wahrscheinlich eine Menge organischer Abfälle und Verpackungen sehen. Können Sie das irgendwie ändern? Können Sie in Ihrer Gemeinde eine Kompostieranlage einrichten? Können Sie Ihre Lebensmittel mit weniger Einwegverpackungen kaufen? Können Sie einige Einwegartikel, die Sie täglich benutzen, durch wiederverwendbare Artikel ersetzen?
Zu guter Letzt: Denken Sie an die Dinge, die Sie wirklich lieben. Höchstwahrscheinlich sind das keine materiellen Dinge – Menschen, Lachen, Abenteuer, sonniges/regnerisches Wetter, es sich mit einer Decke und einem guten Buch gemütlich machen. Es gibt keinen Grund, der lauten Werbung zu glauben, die Ihnen sagt, dass Sie dieses oder jenes kaufen müssen, um glücklich zu sein. Nein, das müssen Sie nicht. Der Tag, an dem man das akzeptiert, wird wahrscheinlich einer der nützlichsten Tage des Lebens sein.
Wie sind Sie zum Caux-Dialog über Umwelt und Sicherheit (CDES) gekommen?
Das ist eine gute Frage. Es gibt so viele wunderbare Dinge im Leben, die mit den einfachen Worten beginnen: „Hey, hier ist eine Idee!“ Nick Foster schickte mir und einem Freund eine E-Mail mit diesen Worten, und so organisierten wir einen Online-Workshop im Rahmen des CDES 2021. Das Thema lautete „Kunststoffe und Einwegkonsum: Anregungen zu systematischem Wandel durch persönliche Veränderung“. Mit dabei waren Justine Maillot von der Rethink Plastic Alliance und Break Free from Plastic, Jack McQuiban von Zero Waste Europe und Anna Ponikarchuk, die Mitbegründerin von Ozero, dem ersten Zero Waste Shop in der Ukraine.
Ich mag branchenübergreifende Verbindungen sehr. Sie bringen viele wunderbare und unkonventionelle Ideen hervor. Der Workshop war eine wunderbare Gelegenheit, branchenübergreifende Verbindungen zu schaffen. In ein paar Jahren werden wir vielleicht die Ergebnisse sehen.
Find out more about the Caux Dialogue on Environment and Security
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Watch Sofia speak at the workshop "Plastics & Single-use Consumption: Inspiring Systematic Change through Personal Transformation" during the Caux Dialogue on Environment and Security 2021
Photos: Sofia Syodorenko