„Caux ist für mich ein Ort, um von anderen zu lernen und ihnen etwas weiterzugeben.“

Gerechte Regierungsführung für menschliche Sicherheit 2018: Interview mit Shalisa Hayes

15/07/2018

Vor sieben Jahren kam Shalisa Hayes Sohn Billy Ray bei einer Party, die er mit seinen Freunden in Tacoma, einer Stadt südlich von Seattle (USA) besuchte, im Kreuzfeuer ums Leben. Shalisa baute nach dieser Tragödie in ihrer Nachbarschaft ein Gemeindezentrum auf und gründete einen Verein namens MOM (Mothers of Magnitude). Sie kam 2017 zum ersten Mal nach Caux. Dieses Jahr nahm sie an der Konferenz Gerechte Regierungsführung für menschliche Sicherheit teil. Wir trafen uns an einem nebligen Morgen im Teezimmer in Caux.

Shalisa, wie ist es, wieder in Caux zu sein?

Grossartig! Ich habe mich sehr auf die Reise und die verschiedenen Leute gefreut.

Ihre Geschichte ist erstaunlich. Da ist zunächst der tragische Tod Ihres Sohns, dann Ihre Initiative, ein Gemeindezentrum und Mothers of Magnitude zu gründen. Wie sind Sie auf das Caux Forum gestossen?

Soweit ich weiss, hat jemand hier in Caux meine Geschichte im Newsletter von Giraffe Heroes gelesen. Sie haben nach mir gesucht und mich gebeten, nach Caux zu kommen.

Wie war ihr erster Aufenthalt in Caux 2017?

Sehr gut. Es waren Leute aus aller Welt da, es gab viele Informationen, Geschichten und langanhaltende Beziehungen wurden geknüpft. Ich genoss die Zeit hier wirklich und auch die Tatsache, dass ich meine Geschichte weitererzählen konnte.

Warum sind Sie wieder nach Caux gekommen?

Das hat zwei Gründe: Ich finde es wichtig, von anderen zu lernen und ich glaube, dass es für andere wichtig ist, von mir zu lernen. Als Afroamerikanerin habe ich erfahren, dass Menschen in meinem eigenen Land versuchen, unsere Geschichte auszuradieren.

Was hat Sie dazu inspiriert, sich für das Allgemeinwohl einzusetzen?

Ich habe mich immer auf die eine oder andere Art für die Gemeinschaft eingesetzt. Ich habe stets Jugendliche gefördert, eher auf klassische Weise. Aber die Tragödie hat mich auf eine andere Ebene gebracht. Eines Tages fragte mich mein älterer Sohn, wie man ein Gemeindezentrum eröffnet. Also habe ich ihm ein paar Ideen und Tipps gegeben. Aber ich bin in der Versicherungsbranche tätig, ich baue keine Gebäude, also wusste ich nicht genau, wie es funktioniert. Dennoch dachte er über die Bedeutung eines Gemeindezentrums nach, da es in unserem Viertel keine Einrichtung für Jugendliche gibt, um sich ausserhalb der Schule an einem sicheren Ort zu treffen. Leider haben wir ihn sechs Monate nach diesem Gespräch verloren, er wurde erschossen.

Welche Konsequenzen hatte das?

Einige Tage nach seinem Tod habe ich – warum auch immer – an „Gemeindezentrum“ gedacht. Bei seiner Beerdigung hielt ich eine Rede und erwähnte das Projekt. Und zwei Wochen später organisierten die Freunde meines Sohns eine Autowaschaktion, um Geld für das Gemeindezentrum zu sammeln. Das hat mich dazu gebracht, die Billy-Ray-Stiftung zu gründen, die nach meinem Sohn benannt wurde.

Um dieses Zentrum zu realisieren, haben wir Lobbying bei der Regierung betrieben, sowohl auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene. Letztlich haben wir damit viel Unterstützung gewonnen. Erst später haben wir erfahren, dass wir 30 Millionen Dollar für den Bau benötigen.  Ich weiss nicht, wie viele Autos diese Jungs gewaschen haben, aber wir haben es geschafft!

Haben Sie auch private Geldgeberinnen und Geldgeber gesucht?

Neben der Lobbyarbeit um öffentliche Gelder haben wir auch um private Gelder geworben. Und hier sind wir, sieben Jahre später, und unser Gemeindezentrum wird in ein paar Monaten eröffnet. Wir haben den Bau in Rekordzeit geschafft. Mir wurde gesagt, dass es normalerweise 10-15 Jahre dauert, das Geld aufzutreiben und diese Art Gemeindezentrum zu bauen.

Erzählen Sie uns doch von Ihrem anderen Projekt, Mothers of Magnitude.                                                                                                      

Im Rahmen meines Engagements wurde ich von anderen Müttern kontaktiert, die Kinder verloren hatten, vielleicht, um mich zu unterstützen oder einfach nur mit jemandem zu sprechen, der ihre Situation nachvollziehen kann. Ich habe mich mit der Unterstützung meines Teams dazu entschlossen, ein Abendessen für Mütter auszurichten, die Kinder verloren haben. Es sollte nur ein Essen sein, aber das Projekt machte sich selbstständig. Immer mehr Leute fragten danach und baten mich, sowas erneut auszurichten. Immer mehr Mütter kamen auf mich zu, ich wurde nach und nach zu einer Bezugsperson oder auch eine Art „Trauerberaterin“. Jemand, den man auch um zwei Uhr nachts anrufen kann, weil man nicht schlafen kann und an sein Kind denkt. Und mittlerweile gibt es ein nationales Netzwerk von Müttern, die einander unterstützen können.

Von Félix Portier, Praktikum Caux Forum-Kommunikation 2018

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