Vom Kriegsgebiet zur Friedensnobelpreis-Delegierten
Von Lucie Wirz, Praktikantin für Kommunikation 2018
15/07/2018Raghad Al Saadi war Referentin der diesjährigen Konferenz Gerechte Regierungsführung für menschliche Sicherheit. Auf Grund bewaffneter Konflikte wurde Raghad Al Saadi mit ihrer Familie aus in ihrem Heimatland Irak vertrieben. Als sie in die Vereinigten Staaten kam, rief sie ein Projekt für mehr Sicherheit von weiblichen Flüchtlingen und Kindern ins Leben.
Raghad Al Saadis Heiterkeit und Enthusiasmus stehen in grossem Gegensatz zu ihrer Bemerkung, sie sei vor ihrer Ankunft in Caux sehr erschöpft und gestresst gewesen. Aber Caux hat offenbar alles verändert: „Sie können sich nicht vorstellen, wie friedlich, wie ruhig und optimistisch ich jetzt bin. Ich habe das Gefühl, Flügel zu haben und zu fliegen.“
Raghad Al Saadi hat im Irak drei Kriege erlebt. Sie erinnert sich an die schwierigen Bedingungen, unter denen sie und ihre Familie lebten, als sie aufs Land zogen, um den Bombardierungen in Bagdad zu entkommen. Eine besonders schwierige Situation für ein junges Mädchen: keinerlei Privatsphäre, ein gemeinsamer Raum für die gesamte Familie. Einmal wäre sie fast in einen tiefen Fluss gefallen. Niemand war in der Nähe und sie konnte nicht schwimmen.
Mit 31 entschloss sie sich, gegen den Willen ihrer Eltern den Irak zu verlassen und in die USA zu gehen. Dort begann sie ein Masterstudium in Friedensoperationen und UN-Interventionen. Als sie sich mit bewaffneten Konflikten und der Vertreibung der Bevölkerung auseinandersetzte, fiel ihr Augenmerk auf die Gewalt und fehlende Sicherheit, der Frauen und Kinder ausgesetzt sind. Dies liess eigene Erinnerungen erneut hochkommen, denn Frauen und Kinder sind oft die ersten Opfer von Konflikten.
Zuflucht findet man oft nur an abgelegenen Orten, wo es zumeist keinen Internetzugang gibt und die Kommunikation problematisch ist. Dadurch ist das Risiko für Flüchtlinge noch höher, Opfer von Missbrauch zu werden oder sich einfach nur bedroht zu fühlen, wie Al Saadi damals. Al Saadi suchte daher nach Möglichkeiten, Frauen und Kindern dabei zu helfen, sich sicherer zu fühlen und Missbrauch zu melden. „Ich möchte, dass Frauen aussagen können, dass sie im Fall von Missbrauch berichten können und dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt.“ Sie kontaktierte einen Ingenieur, der ein drahtloses Geräte entwickelt hatte, mit dem Lieferungen und Waren zurückverfolgt werden können und der sich bereit erklärte, ein ähnliches Gerät für humanitäre Zwecke zu entwickeln. Mittlerweile besitzt Al Saadi einen Prototyp, mit dem Nutzerinnen und Nutzer ein Notsignal senden können. Es soll wie eine Uhr aussehen und wird „misBit“ genannt.
Wenn sie verzweifelt sei, so Al Saadi, stelle sie sich vor, Kinder würden diese Uhr nutzen. Die Vision von „lachenden und neugierigen Kindern“ gebe ihr die Kraft, weiterzumachen.
„Es gab Phasen, besonders als ich die Technologie verstehen wollte, in denen ich Fragen gestellt habe und mich der Sache nicht gewachsen fühlte“, sagt Al Saadi. „Aber dann wurde mir klar, dass ich nicht weniger wert bin, nur weil ich kein Ingenieur bin.“ Ein älterer Mann sagte ihr, sie solle jemanden mit weisser Hautfarbe finden, um ihre Idee vorzustellen, damit man sie ernst nehme.
Und damit geht es bei Al Saadis Geschichte nicht mehr nur um weibliche Flüchtlinge. Es ist eine Geschichte über die Befähigung und Stärkung von Menschen, besonders junger Frauen, um mutig zu sein, nicht bei Problemen aufzugeben, an Träume zu glauben und Veränderungen zu schaffen. „Sie sind stark, wenn Sie stark sein wollen“, sagt sie. „Wenn Sie beschliessen, etwas zu bewegen, können Sie die nötigen Fertigkeiten entwickeln. Es gibt keine Grenzen ausser denen, die Sie sich selbst setzen.“
2017 stellte Al Saadi "misBit" beim Friedensnobelpreis-Forum vorgestellt, um Frauen und Kindern die Möglichkeit zu geben, sexuelle und genderbasierte Gewalt und Menschenhandel in Flüchtlingscamps und Katastrophengebieten zu bekämpfen. Sie gründete ihr eigenes Unternehmen Polar Lights Prime, um das Projekt weiter voranzubringen. Verschiedene Aspekte müssen nach wie vor noch ausgearbeitet werden: Wer wird Zugriff auf die Daten haben? Welche Anbieter soll es geben? Al Saadi ist sich der Herausforderungen und Risiken bewusst, die mit solch einem Gerät einhergehen, aber sie glaubt fest an die Vorteile dieser Technologie. „Höhere Konnektivität und Zugang zu Informationen sind ein Teil beim Schutz von Menschen“, sagt sie.
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