Ist digitaler Datenschutz wirklich Privatsache?

Von Annika Hartmann de Meuron

14/02/2019

Trotz des Datenschutzgesetzes, das als GDPR (General Data Protection Regulation) bekannt ist, und Online-Nutzer die Möglichkeit gibt, private Informationen zu schützen, klicke ich blind und rund zwanzig Mal am Tag auf “Zustimmen”, nur um schnellen Zugang zu dem zu bekommen, was ich will. Dies ist kein Zeichen des Vertrauens, sondern eher die resignierte Haltung gegenüber der Tatsache, dass ich keine Zeit habe, die Nutzungsbedingungen zu lesen, geschweige den zu verstehen.

Ich sollte es besser wissen, aber gleichzeitig frage ich mich, ob es wirklich einen Unterschied macht, da meine privaten Daten permanent auf vielfältige Weise gesammelt werden. Das Smartphone, das ich rund um die Uhr bei mir trage, gibt meine privaten Details sowieso weiter: wann ich einschlafe, welchen Arzt ich aufsuche, mit wem ich zu Mittag esse, ob ich gut gelaunt bin und so weiter und so fort.[2]

Durch das Internet der Dinge (IoT) werden in öffentlichen Räumen zusätzlich mehr und mehr untereinander verbundene Geräte eingesetzt: vernetzte Kameras, Warenhäuser oder Fabriken, wo jede menschliche Bewegung wahrgenommen und aufgezeichnet wird. Wir rüsten fröhlich unsere Häuser mit künstlicher Intelligenz aus, die Raum- und Wassertemperatur, Licht und Musik kontrolliert, anhand der Dinge im Kühlschrank Einkaufslisten erstellt, Termine organisiert und mit unseren Fitness-Armbändern oder Körperimplantaten vernetzt ist.3]

Dennoch müssen wir für diese Bequemlichkeiten einen Preis bezahlen. Während wir für diejenigen, die unsere Daten sammeln, langsam aber sicher 100% transparent werden (Firmen, öffentliche Einrichtungen und andere Institutionen), schleicht sich das unsichere Gefühl ein, ständig überwacht zu werden.

Einige sagen, das mache ihnen nichts aus, da sie nichts zu verbergen hätten. Im Gegenteil, das endlose Datensammeln und die ständige Vernetztheit stärke eher ihr Gefühl von Sicherheit.

Datenschutz bedeutet jedoch nicht, etwas Schlimmes zu verbergen. Es bedeutet einen sicheren Raum, wo wir wir selbst sein können.

Ein Raum, wo wir über persönliche Ideen und Zweifel sprechen, von sozialen Normen abweichen, Gleichgesinnte treffen, Veränderung planen und Aktionen entwickeln können. Soziale Veränderungen, wie die Respektierung von Frauenrechten, die Akzeptanz von Homosexualität, Widerstand gegen oppressive Regimes sowie vertrauliche Friedensgespräche begannen alle in solchen sicheren privaten Räumen. Dasselbe gilt für die akademische Welt oder das Geschäftsleben, Erfindungen und Experimente. Alle diese Bereiche brauchen einen vertrauensvollen Rahmen und die Garantie, von niemandem beobachtet, zensiert oder ausspioniert zu werden. Privatsphäre ist, laut Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, ein menschliches Recht.

Ausserdem ermutigt eine konstante Überwachung einen Individualkonformismus und verlangsamt dadurch wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen und Fortschritt.

Doch wie sieht es mit dem verstärkten Sicherheitsgefühl aus? Selbstverständlich kann das Wissen, immer und zu jeder Zeit gefunden zu werden, ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Nach einen schlimmen Verkehrsunfall können vernetzte Autos beispielsweise den Notdienst benachrichtigen. Gesichtserkennungskameras auf öffentlicihen Plätzen erleichtern die Identifizierung von Kriminellen und prädiktive Polizeiarbeit kann anscheinend Verbrechen verhindern.[4]

Dennoch macht uns eine Infrastruktur, die ein vernetztes Sicherheitsnetz aufbaut, auch für Cyberattacken anfällig. Die Medien rufen uns dies immer wieder mit Berichten über Identitätsdiebstähle, denen 2017 16,7 Millionen Menschen zum Opfer fielen, Erpressungen von Firmen wie Uber im Jahr 2016, oder den Übergriffen auf das Energienetz in der Ukraine 2017 etc. ins Gedächtnis.

Um ein wahres Gefühl von Freiheit zu geniessen, sollten wir nocht zwischen Sicherheit und Datenschutz wählen müssen. Beide sind notwendig, um jenen privaten, vertrauensvollen Raum zu schaffen, den wir alle, ob Individuum, Firma oder Gesellschaft, für unser Wohlergehen benötigen. Datenschutz ist daher in der Realität keine Privatsache. Er ist ein gemeinsames Gut, das vor allem im digitalen Zeitalter geschützt warden muss.

Wir alle müssen zum Datenschutz unseren Beitrag leisten, egal, welche Rolle wir dabei spielen. Die folgenden Aktionen können helfen, Vertrauen in neue Technologien aufzubauen:

  • Verstärkten Zugang zu Wissen über die wichtigsten Veränderungen und Auswirkungen des aktuellen technologischen Wandels auf unser Leben
  • Angebot maximaler Sicherheit, Transparenz und Kontrolle über persönliche Daten durch Firmen und andere Technologieentwicklerinnen und -entwickler
  • Integration einer “Disconnect" (Abgemeldet)-Option für die meisten Technologien, damit wir unsere Privatsphäre sichern und kontrollieren können
  • Diskussionen zwischen Vielfachinteressenvertretenden (Konferenzen, Foren, News-Medien) sind notwendig, um eine gemeinsame Vision über jene Werte zu definieren, die die aktuelle technologische Revolution untermauern, über deren Konsequenzen und Risiken nachzudenken und zu überlegen, wie sichergestellt werden kann, dass Datenschutz immer an erster Stelle steht.

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Annika Hartmann de Meuron

Annika Hartmann de Meuron ist die Leiterin von Ethisches Leadership im Business für Initiativen der Veränderung (IofC) Schweiz und sich der einzigartigen historischen Gelegenheit bewusst, die Entwicklung, Nutzung und Auswirkung neuer Technologien mitzugestalten. Wir möchten daher die Konferenz Ethisches Leadership im Business vom 27. bis 30. Juni 2019 dazu nutzen, Vertrauen im digitalen Zeitalter neu zu definieren, Geschäftsleute zu inspieren, auszubilden und zu verbinden, damit diese ihre Organisation menschenzentriert leiten können und hoffen, dass sie dadurch zu einer vertrauenswürdigen und nachhaltigen digitalen Zukunft beitragen. Weitere Informationen zu Ethisches Leadership im Business finden Sie hier.

 

 

 

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