Prophet der grünen Barmherzigkeit
13/06/2019Marc Ian Barasch beschreibt sich selbst als „einen sozialen Unternehmer, einen Sprecher, einen Vermittler, einen Networker“. Ein Blick auf Wikipedia verrät, dass er auch ein internationaler Vordenker und Innovator ist. Die Bezeichnungen „Gründer“ und „Mitbegründer“ hört man regelmässig im Zusammenhang mit fundierten Umweltinitiativen und seine Bücher und Filme beschäftigen sich mit Themen wie ganzheitlicher Heilung, der Lehre der Empathie bis hin zur Phänomenologie der Träume.
Zu seinen Sozialunternehmen gehören sowohl die Green World Campaign als auch Green World Ventures. Zu beiden, so sagt er, sei er durch das Schreiben seines Buches "The Compassionate Life" inspiriert worden (einem Beststeller, der die Bewegung „Compassionate Cities“ sowie den beliebten Dokumentarfilm "I Am" inspirierte). 2018 berief er die Konferenz „ReGen18“ in San Francisco ein und brachte dort 500 Führungspersönlichkeiten der aufkeimenden regenerativen Bewegung zusammen.
In den späten 1960er Jahren war Marc aktives Mitglied in Bewegungen, die sich für kulturelle und soziale Veränderung einsetzten. Er brach sein Studium an der Yale University ab, reiste per Anhalter durch die Rocky Mountains, um bei einem tibetischen Lama die Lehren des Buddhismus zu studieren und editierte Zeitschriften wie das New Age Journal, Natural Health und Psychology Today. Für Ted Turner schrieb und produzierte er Dokumentarfilme zum Thema Umwelt (der Dokumentarfilm "One Child, One Voice", der das Special zum UN-Umweltgipfel 1992 war, wurde von 2 Milliarden Menschen in 160 Ländern gesehen). Darüber hinaus verfasste er eine Reihe an kulturell einflussreichen Büchern.
Vor 13 Jahren dann gab Marc das Schreiben auf, um sich „auf ziemlich naive Weise“ daran zu machen, das fühlbar Gute, dass er in der Welt verrichten konnte, maximal zu steigern. Bei seinem Streben traf er eines Tages einen Mann, der Bäume nach uralten Methoden der Agroforstwirtschaft pflanzte.
Als Marc erfuhr, dass es möglich war, die Ernährung von Menschen mit Wiederaufforstung zu verbinden, ging ihm ein Licht auf: „grüne Empathie“. Diese Einsicht veranlasste ihn, zu erforschen, wie man konvergente ökologische und humanitäre Krisen auf eine Art und Weise lösen kann, die nicht konfliktbehaftet oder pessimistisch, sondern ganzheitlich, optimistisch, versöhnlich und heilend ist.
Er wurde nach Äthiopien eingeladen, wo die Waldbestände zu knapp einem Prozent zusammengeschrumpft sind. Örtliche Führungspersönlichkeiten erzählten ihm, dass obwohl die Grossherzigkeit der Welt dieses Land erreicht habe, sie wenig bis gar keine bleibende Wirkung auf das Leben der Menschen in den unteren Bevölkerungsschichten habe. Sie waren in einem Teufelskreis gefangen. Aus purer Not heraus fällten arme Menschen Bäume in fragilen Wäldern. Die baumlose Erde erodierte und wurde unfruchtbar, Ackerflächen wurden kleiner und der Grundwasserspiegel und die Regenfälle nahmen ab. Der Kampf um Ressourcen nahm zu. Durch die Verarmung nahm der Fluss der Menschen, die von den Dörfern in die Slums der Städte abwandern, zu. Marc sah wie Armut, Hunger, Ignoranz, Entwaldung, Konflikt und Klimawandel miteinander zusammenhängen.
Aber er lernte auch, dass Rekultivierung möglich ist. Die Menschen vor Ort wollten unbedingt jene üppige Landschaft, an die sich die Ältesten noch erinnern konnten, wiederherstellen. Marc erinnert sich, wie er ein Dorf besuchte, wo der Brunnen kaputt war und die Kinder jeden Tag meilenweit laufen mussten, um sauberes Trinkwasser zu holen. Von dem Wasser, das sie in schweren Kanistern hinter sich herzogen, nutzen sie immer etwas, um damit die an einem Hang gepflanzten Bäume zu giessen. Marc spendete Geld, damit der Brunnen repariert wurde.
Sein nächstes Projekt bestand darin, das Rekultivierungsprojekt „Bees and Trees“ in Äthiopien zu gründen. „Zusammen mit den Menschen vor Ort pflanzten wir Puderquastensträucher und einheimische Bäume, um Erosion zu verhindern und den degradierten Boden anzureichern. Puderquastensträucher haben ausserdem grosse, wunderschöne rote Blüten, die bei Honigbienen sehr beliebt sind, was zum Anstieg der Bienenstöcke in den Dörfern führte. Die Bienen bestäubten die Kaffeepflanzen, was für die Dorfbewohner ein wirtschaftlicher Anreiz war, noch mehr davon zu pflanzen.“ Marc wurde bewusst, dass alles miteinander zusammenhing: man musste alle Ein- und Ausgaben, das Vorne und das Hinten, das Innere und das Äussere, sowie alle Akteure vom Menschen bis hin zum Planeten, vom menschlichen Biom bis hin zu den Bodenmikroben, berücksichtigen.
Das war der Startschuss für seine Green World Campaign (GWC), die sich dafür einsetzte, Wälder in Äthiopien und Mexiko zu rekultivieren, die Schulkinder in Jordanien beim Pflanzen von Bäumen finanziell unterstützte und agrarforstwirtschaftliche Programme in ehemaligen Konfliktgebieten auf den Philippinen förderte. Im Laufe der letzten neun Jahre hat GWC 3,5 Millionen Bäume in Kenia gepflanzt.
Hundertausende Kinder durchlaufen die Programme der Green World-Schulen in Kenia und beeinflussen wiederrum hunderttausende Mitglieder der Gemeinschaft, von denen die meisten ebenfalls von GWC-Programmen profitiert haben. Schnellwachsende, dürrebeständige Moringabäume haben sich von den Schulhöfen über Bauerhöfe bis in die kenianische Küstenregion verbreitet und liefern Nahrung, Einkommen, Moringasamenöl und Widerstand gegen Klimawandel. Die Blätter des Moringabaumes bestehen zu 30 Prozent aus Proteinen, die alle wichtigen Aminosäuren enthalten. Kein Dorf, dass dieses Supernahrungsmittel pflanzt, wird hungern müssen.
2018 nahm Marc am Caux-Dialog über Land und Sicherheit teil und sass mit am runden Tisch der politischen Entscheidungsträgerinnen und -träger. Er schätzte die neuen beruflichen Beziehungen, die dort entstanden, sowie den „sorgfältig kuratierten, produktiv gestalteten Inhalt, der Zusammenarbeit, Empathie und Bewusstsein förderte.“
Er schlug vor, Caux solle der Ort eines „regenerativen Davos“ auf höchstem Niveau werden. Diese Idee wird noch diskutiert. Weitere Vorschläge bestanden in der Bünderlung der Kräfte von GWC und Evergreening Global Alliance, der Schaffung eines Green World-Zeichens, um zu mehr öffentlicher Beteiligung an regenerativen Projekten anzuregen, der Zusammenarbeit mit BioCarbon, einer Firma, die mittels Drohnen Bäume pflanzt, der Durchführen von Prüfstandversuchen bei einem Projekt im Küstengebiet Kenias, einer Zusammenarbeit mit DJ Spooky, um ökologische und soziale Erneuerung mit urbaner Kunst, Musik und Kultur zu vermischen, der Ausweitung der in Kenia sehr erfolgreichen Programme der Green World-Schulen auf viele weitere Länder (in Zusammenarbeit mit Mitstreiterinnen und Mitstreitern, die er beim CDLS getroffen hatte), und einem Gemeinschaftsunternehmen, um den Weg für eine regenerative Nahrungsmittelindustrie zu bereiten, die auf der Verarbeitung von Moringa basiert. Den Anfang machen hierbei Ghana und Nigeria.