Abstieg vom Berg
Caux Scholars-Programm 2019
17/08/2019
Wenn Leute sagen, dass Caux eine lebensverändernde Erfahrung sei, handelt es sich dabei nicht um ein Klischee. Einige verlassen für eine Reise nach Caux zum ersten Mal ihr Heimatland. Den meisten ermöglicht es, an ihren Traumata und Ängsten zu arbeiten und einen sicheren Ort für Wachstum, Hoffnung und Reife zu schaffen. Nach solch tiefgreifenden Erfahrungen ist es schwierig, den Berg wieder hinabzusteigen, besonders für diejenigen, die in Konfliktgebiete zurückkehren oder die mit inneren Konflikten beschäftigt sind.
Der Leiter des Caux Forums, Nick Foster, betont, wie wichtig es sei, die in Caux geknüpften Kontakte zu erhalten. „Netzwerken ist hier besonders wichtig. Kontakte können Unterstützung bieten und uns helfen, wenn wir gehen. Durch dieses soziale Gefüge sind wir stärker, widerstandsfähiger und handlungsfähiger als wenn wir auf uns alleine gestellt wären. Menschen für eine oder vier Wochen in Caux zu begrüssen ist eine tolle Möglichkeit, Gemeinschaft zu schaffen.“
Der Programmkoordinator des Caux Scholars-Programms (CSP), Osama Alrintisi, ist Caux-Teilnehmer der zweiten Generation. Sein Vater, Mohamed Alrantisi, kam 1997 zum ersten Mal nach Caux und war 2001 Caux-Scholar. „Als ich Kind war, erzählte er mir davon“, sagt Osama.
Als Osama Palästina für sein Studium in Schweden verliess, engagierte er sich bei IofC vor Ort. Er kam 2017 zum ersten Mal als Teilnehmer des Caux Peace and Leadership-Programms (CPLP) nach Caux, kehrte 2018 als Caux Scholar zurück und ist auch dieses Jahr als Programmkoordinator mit dabei.
„Bei CPLP habe ich gelernt, anderen zu dienen“, sagt er. „Ich habe Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund getroffen und gelernt, mit Leuten Dialoge zu führen, die eine andere Meinung vertreten. Das war eine der wichtigsten Lektionen. CPLP hat mir auch persönlich weitergeholfen, zum Beispiel dabei, wie man Beziehungen aufbaut, Menschen dient und ein guter Gastgeber ist. Es war eine grosse Hilfe in Schweden.“
Durch das eher akademische Caux Scholars-Programm lernte er, „Konflikte und den Umgang mit ihnen sorgfältig zu betrachten“. „Ich habe mich theoretisch und praktisch weiterentwickelt, wodurch ich das Wissen aus der Friedensförderung in meinem Privat- und Berufsleben umsetzen konnte. Dies hatte Auswirkungen auf meine Denkweise.“ Es fällt ihm schwer, den Frieden von Caux zu verlassen, aber er geht voller Hoffnung. „Ich denke darüber nach, was ich als nächstes in meinem Land tun kann.“
Saba Gül, Caux Scholar 2019 aus Pakistan, geht mit denselben Fragen zurück. Für sie ist der erste Schritt zu einem inklusiven Dialog das Durchbrechen von Stereotypen. „Es gibt eine grosse ethnische und religiöse Vielfalt in meinem Land, besonders in Karachi, wo ich lebe“, sagt sie. „Pakistan ist bereit für eine echte Veränderung. Wir müssen unsere Generation darauf vorbereiten, besonders die Frauen.
Selbstfürsorge wird in unserer Gesellschaft unterschätzt. Bevor ich nach Caux kam, hatte ich noch nie etwas über die Bewältigung von Traumata gehört. In der Kindheit oder Jugend passieren Dinge und wir behalten diese Traumata für den Rest unseres Lebens. Genau hier ist Selbstfürsorge besonders wichtig. Zum ersten Mal seit Jahren habe ich über ihre Bedeutung nachgedacht.“
Alina Shymanska, Caux Scholar 2019 aus der Ukraine, sagt, die Erfahrung habe sie verändert. Sie gehe zurück nach Hause, um ihre Arbeit auf jener Ethik und den Werte zu gründen, die sie in Caux erfahren habe. „In Konfliktgebieten diskutieren wir oft über Gerechtigkeit“, sagt sie. „Vergebung steht da ganz weit unten. Nach dem Caux Scholars-Programm wird Vergebung ganz oben stehen. Den Berg wieder zu verlassen, ist nicht leicht, weil man der Realität ins Auge blicken muss, wenn man zurückkommt. Der Konflikt in meinem Land geht weiter, aber ich kann mit den Menschen in meinem Umfeld einen friedlichen Austausch über den Aussöhnungsprozess führen.“
Text und Photos : Paula Mariane