1964: Daw Nyein Tha – "Wenn ich mit dem Finger auf meinen Nachbarn zeige"
Von Mary Lean
19/05/2021
In den 60-iger Jahren wusste man nie, wen man in den Küchen von Caux treffen würde. Die Küche, in der die Gerichte für die asiatischen Gäste zubereitet wurden, wurde von einer kleinen burmesischen Frau in ihren 60-igern geleitet. Nur wenige hätten vermutet, dass sie eine ehemalige Schulleiterin aus Myanmar (damals Burma) und eine Freundin von Mahatma Gandhi war.
Daw Nyein Tha - oder "Ma Mi", wie ihre Familie und Freunde sie nannten - wurde 1921 im Alter von 21 Jahren die jüngste Schulleiterin in Myanmar. Ihr Stil war autoritär. Nach 10 Jahren rebellierten ihre Mitarbeitenden, Schülerinnen und Schüler, als sie sich als christliche Leiterin einer christlichen Schule weigerte, den buddhistischen Mädchen zu erlauben, einen religiösen Fasttag einzuhalten. Der Vorfall erregte landesweit für Aufsehen.
Jetzt wusste ich, warum Christus mich in diese Schule gesteckt hatte - nicht nur um Schulleiterin zu sein, sondern um zu lernen, Menschen zu lieben.
Das Problem wurde schliesslich gelöst, als sie einsah, dass sie die Mädchen nicht mochte und dass ihr Stolz und ihre Eitelkeit es den Lehrerinnen und Lehrern schwer machten, mit ihr zusammenzuarbeiten. Sie entschuldigte sich öffentlich. „Jetzt wusste ich, warum Christus mich in diese Schule gesteckt hatte - nicht nur um Schulleiterin zu sein, sondern um zu lernen, Menschen zu lieben", sagte sie später.
Diese Lektion begleitete sie ihr ganzes Leben lang. Sie hörte mit dem Unterrichten auf und setzte sich sowohl zu Hause als auch in der ganzen Welt für Versöhnung und Gerechtigkeit ein. Sie begegnete der Moralischen Aufrüstung (MRA, heute Initiativen der Veränderung) zum ersten Mal 1932 bei einem Besuch in Grossbritannien und machte sich deren Botschaft zu eigen, die darauf basiert, auf die innere Stimme zu hören und Veränderung im eigenen Leben zu beginnen.
Wo immer sie war - Daw Nyein Tha blieb im Herzen Lehrerin. Oft benutzte sie ihre Hände, um ihre Ideen zu vermitteln. Sie zitierte gerne ein burmesisches Sprichwort: "Wenn ich mit dem Finger auf meinen Nachbarn zeige, zeigen drei weitere auf mich zurück." Der Satz wurde zu einem der bekanntesten Lieder der Moralischen Aufrüstung. Es wurde von Cecil Broadhurst für das Musical Jotham Valley geschrieben und durch die Colwell Brothers berühmt gemacht (Lied abspielen).
Als sie 1941 Mahatma Gandhi in seinem Ashram besuchte, benutzte sie ein Taschentuch, das sie zwischen zwei Händen straffzog, um die Spannung zwischen zwei Menschen darzustellen, die auf ihren Willen beharren. Wenn eine Hand aufhört zu ziehen, muss auch die andere nachgeben und sie können zusammenarbeiten. "Ja", antwortete Gandhi schelmisch." Das funktioniert sehr gut mit einem Taschentuch, aber funktioniert es auch mit Menschen?"
In den frühen 50er Jahren benutzte sie in Thailand einen ausgehöhlten Samen, der drei winzige Elefanten aus Elfenbein enthielt, um ihren Standpunkt zu verdeutlichen. Thailand und Burma befanden sich in einem schwelenden Konflikt, seit die Burmesen 200 Jahre zuvor Thailands alte Hauptstadt zerstört und die wertvollen weissen Elefanten gestohlen hatten. Diese Erinnerungen sorgten in Thailand noch für Unmut, während sie in Burma weitgehend in Vergessenheit geraten waren. Jetzt hatte die birmesische Luftwaffe auf der Jagd nach birmesischen Rebellen thailändische Grenzdörfer bombardiert und die Gefühle eskalierten.
Bei einem Treffen mit dem thailändischen Premierminister legte Daw Nyein Tha die drei Elefanten aus Elfenbein auf seine Handfläche. "Diese kleinen Elefanten sind schon so lange aus Thailand weg", sagte sie. „Sie hatten so viel Heimweh, dass sie sehr dünn geworden sind.“ Der Premierminister lachte und die Geschichte kam im Radio. Später entschuldigte sich der burmesische Premierminister im Namen Burmas beim thailändischen Volk und unterstützte es mit einer finanziellen Entschädigung.
Daw Nyein Tha verbrachte einen Grossteil der letzten Jahre ihres Lebens in Grossbritannien und der Schweiz, da sie nicht nach Myanmar zurückkehren konnte, weil das Land damals unter einer Militärdiktatur stand. Sie lehrte diejenigen, die mit ihr in der asiatischen Küche in Caux arbeiteten, einige einfache Prinzipien, wie Marjory Procter in ihrer Biographie The World My Country schreibt. „Wichtig waren die Menschen, für die man kochte.... warum man kochte, war wichtiger als das, was gekocht wurde."
Auf die Frage eines italienischen Journalisten, was jemand wie sie beim Kochen mache, antwortete Daw Nyein Tha: "Ich koche nicht. Ich gehorche Gott.“
Wichtig waren die Menschen, für die man kochte.... warum man kochte, war wichtiger als das, was gekocht wurde.
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Während dieser Zeit half meine Mutter eine Weile lang beim Kochen in der asiatischen und afrikanischen Küche in Caux. Sie schrieb die Rezepte, die sie lernte in ein kleines Notizbuch, einschließlich „Daw Nyein Tha´s Garnelencurry“. Sie notierte auch einige "Prinzipien der asiatischen Küche" - beginnend mit der pauschalisierten Verallgemeinerung, dass "niemand östlich von Burma Lammfleisch mag" und ergänzte die wesentlichen Bestandteile einer Curry-Mahlzeit: "Etwas Scharfes und etwas Mildes, etwas Trockenes und etwas Feuchtes, etwas Saures und etwas Frittiertes: eine Art Brot". Ich habe das Notizbuch immer noch, fleckig und bekleckst vom Gebrauch, aus dem meine Mutter ausländischen Studenten in Oxford, wo wir lebten, den Genuss aus der Heimat bot.
Mary Lean, Grossbritannien
Lesen Sie mehr ûber Daw Nyein Tha:
- Joyful Revolutionary, Harry.S. Addison, Friends of MRA, 1969
- The World My Country, Marjory Proctor, Grosvenor Books, 1976
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Sehen Sie einen Ausschnitt aus unserem Archiv (1950), der eine birmesische Gruppe mit Daw Nyein Tha zeigt (05'57", erste Frau links, erste Reihe)
Sehen Sie den Archivfilm Ma Mi from Burma mit Daw Nyein Tha.
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Diese Geschichte ist Teil unserer Serie "75 Jahre der Geschichten" über Menschen, die durch Caux eine neue Richtung und Inspiration für ihr Leben gefunden haben - eine Geschichte für jedes Jahr von 1946 bis 2021. Wenn Sie eine Geschichte kennen, die sich für diese Serie eignet, leiten Sie Ihre Ideen bitte per E-Mail an John Bond oder Yara Zhgeib. weiter. Wenn Sie mehr über die Anfangsjahre von Initiativen der Veränderung und das Konferenzzentrum in Caux erfahren möchten, klicken Sie bitte hier und besuchen Sie die Plattform For A New World.
- Video Buchman 1948 Archive: Initiativen der Veränderung
- Video Ma Mi from Burma: Initiativen der Veränderung
- Foto Teaser: Joyful Revolutionary, R.D. Mathur für Friends of Moral Re-Armament (India), 1969
- Fotos: The World My Country, Marjory Proctor, Grosvenor Books, 1976
- Korrekturlesung: Tatjana Horenko-Enomoto