1960 - Cyprus: "Die Hoffnung stirbt nie"
Von Andrew Stallybrass
06/05/2021
Seit 1946 gibt es nur wenige Probleme in der Welt, die nicht ein gewisses Echo in den Konferenzen und Begegnungen in Caux gefunden haben. Im Jahr 1960 erlangte Zypern nach mehreren Jahren teils gewaltsamer Konflikte zwischen der griechischen und türkischen Bevölkerung und den britischen Machthabern die Unabhängigkeit. Die erste Fahne der neuen Republik, die offiziell nach Übersee ging, wurde von dem damaligen Präsidenten, Erzbischof Makarios, nach Caux geschickt und dort am 16. August, dem zypriotischen Unabhängigkeitstag, gehisst.
Dieses Geschenk war eine Ehrung der stillen Arbeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Moralischen Aufrüstung (MRA, jetzt Initiativen der Veränderung) im Vorfeld der Verhandlungen zwischen Grossbritannien und den verschiedenen Konfliktparteien: der griechisch-zypriotischen Mehrheit, die grössten Teils 'Enosis' (eine Vereinigung mit Griechenland) wollte, der türkischen Minderheit, die eine Teilung der Insel erstrebte, um ihre Rechte zu garantieren sowie Griechenland und der Türkei.
1954 hatte sich Erzbischof Makarios, der sowohl der religiöse als auch der politische Führer der griechischen Gemeinschaft war, im Londoner Zentrum der MRA aufgehalten, bevor er zwei Jahre später von den Briten ins Exil geschickt wurde. Der führende türkische Herausgeber und Journalist, Ahmet Emin Yalman, war 1946 in Caux gewesen und hatte versucht, durch seine Tätigkeit als Schriftsteller die Gemeinschaften zusammenzubringen. Im Jahr 1958 schrieb Yalman in einem Artikel, der in den griechischen Medien weit verbreitet wurde: "Zypern sollte kein Grund der Spaltung werden. Es sollte eine Brücke der Verständigung sein.” Die von der MRA vermittelten Kontakte spielten eine Rolle beim Kompromissabkommen, das Makarios, der 1960 zum Präsidenten gewählt wurde, im März 1959 in London unterzeichnete.
Anfang 1960 verliessen zwei frisch verheiratete MRA-Mitarbeitende Caux in einem Kleinbus, um die wachsende Arbeit der MRA in Zypern zu unterstützen. Marcel und Theri Grandy hatten ursprünglich geplant, drei Monate in Zypern zu bleiben, doch daraus wurden, wie Marcel später schrieb, "drei aussergewöhnliche Jahrzehnte". Im Laufe dieser Zeit machten sie unzählige Besuche in Griechenland, der Türkei und dem Libanon, zeigten MRA-Filme, beherbergten Besuchergruppen mit Theaterstücken und Musicals und organisierten Delegationen nach Caux.
Was wir damals nicht wussten, war, dass aus drei Monaten in Zypern drei aussergewöhnliche Jahrzehnte werden sollten.
“Theri und ich kamen in ein Land, das am Siedepunkt war”, schrieb Marcel. Theri erwähnte, dass sie sich in dieser Umgebung an “das Leben als Ehepaar, an eine ganz neue Kultur am Mittelmeer, an einen extrem vollen, wenn auch ungeplanten Tagesablauf und an das Leben in einer kleinen MRA-Gemeinschaft, die aus einigen recht übermütigen jüngeren Leuten bestand”, anpassen mussten. Jeden Tag brachten Zypriotinnen und Zyprioten Geschenke zu ihnen ins Haus: Orangen, Kartoffeln und Sellerie sowie Einladungen in ihre Wohnungen und Dörfer, Angebote für Mitfahrgelegenheiten und sogar ein lebendes Huhn. Es gab viele Menschen aus beiden Volksgruppen, die auf eine Heilung der Wunden auf beiden Seiten hofften.
Nach der Unabhängigkeit hielten die Spannungen trotz vieler Bemühungen um Vertrauensbildung zwischen den Volksgruppen an. 1974 gab es einen Putsch gegen Makarios, angeführt von Anhängerinnen und Anhängern des rechten Militärregimes, die eine Vereinigung mit Griechenland wollten. Dies provozierte eine Invasion der Türkei und eine De-facto-Teilung Zyperns. Etwa ein Drittel der Einwohnerinnen und Einwohner wurde zu Flüchtlingen in ihrem eigenen Land.
Auch in den Jahren danach arbeiteten Menschen in Zypern weiter daran, Barrieren aufzubrechen, Vertrauen aufzubauen und Korruption zu bekämpfen. Einer von ihnen war Spiros Stephou, der als junger Zollbeamter im Hafen von Famagusta zum ersten Mal im Dezember 1960 nach Caux kam.
Er war in den 1950er Jahren Mitglied der griechischen Guerillabewegung EOKA gewesen und hatte im Hafen Bomben gelegt, um die Briten aus Zypern zu vertreiben. Seine Frau Maroulla arbeitete mit ihm zusammen, verzweifelte aber an seiner Spielsucht und seinem Alkoholkonsum.
In Caux schien sich Spiros mehr für die Bar in der Nähe des Konferenzzentrums zu interessieren als an den Treffen teilzunehmen. Aber bei seiner Rückkehr traf ihn im Flugzeug eine Erkenntnis: "Wenn ich mit meinem chaotischen Lebenstil weitermache, werde ich nicht nur mein Leben, sondern auch das Leben meiner Insel zerstören.”
In den nächsten Monaten baute er eine neue Beziehung zu Maroulla auf, erzählte seinem Chef von den Waren, die er beim Zoll gestohlen hatte, und zahlte langsam seine Schulden ab. Er wurde bekannt für seinen Einsatz gegen Korruption und beendete seine Karriere als stellvertretender Direktor des Zolls.
Wenn ich mit meinem chaotischen Lebenstil weitermache, werde ich nicht nur mein Leben, sondern auch das Leben meiner Insel zerstören.
Die Teilung Zyperns dauert bis heute an, trotz vergeblicher Bemühungen der Vereinten Nationen und anderer Seiten, eine dauerhafte Lösung herbeizuführen. Nach seinem letzten Besuch in Zypern drei Jahre vor seinem Tod im Jahr 2006 schrieb Marcel: "Die Situation in Zypern ist alles andere als verheissungsvoll. Doch als wir unsere Freundschaften erneuerten, kam bei den Gesprächen neue Hoffnung auf. Wir sind uns bewusst, wie schwierig es ist, in einer politisch stagnierenden Situation die Hoffnung und den Glauben am Leben zu erhalten. Aber wie wir selber wissen, was auch so viele unserer Freunde erfahren haben: Wenn sich Motivation und Richtung im Leben eines Menschen ändern, stirbt die Hoffnung nie.”
Marcel und Theri Grandy verliessen Zypern, nachdem Marcel gebeten wurde, Präsident von Initiativen der Veränderung Schweiz zu werden. Er hatte dieses Amt von 1989 bis 1999. zehn Jahre lang inne.
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Sehen Sie das Video aus unserem Archiv von der Feier zum Tag der Unabhängigkeit Zyperns in Caux (1960)
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Diese Geschichte ist Teil unserer Serie "75 Jahre der Geschichten" über Einzelpersonen, die durch Caux eine neue Richtung und Inspiration für ihr Leben gefunden haben - eine Geschichte für jedes Jahr von 1946 bis 2021. Wenn Sie eine Geschichte kennen, die sich für diese Serie eignet, leiten Sie Ihre Ideen bitte per E-Mail an John Bond oder Yara Zhgeib. weiter. Wenn Sie mehr über die Anfangsjahre von Initiativen der Veränderung und das Konferenzzentrum in Caux erfahren möchten, klicken Sie bitte hier und besuchen Sie die Plattform For A New World.
- Video Cyprus Independance Day at Caux: Initiativen der Veränderung
- Cyprus 1959-1960: An unfinished story, Daniel Dommel, Caux Books, 1998
- Fotos und Zitate: Hope never dies: the Grandy story, Virginia Wigan, Caux Books, 2005