Junge Menschen durchbrechen Schranken der Ausgrenzung
UN-Bibliothek in Genf, 4. Mai 2017
04/05/2017
Am 4. Mai 2017 nahmen rund 40 Personen an der aktuellen Ausgabe der Menschlichen Bibliothek zum Thema „Junge Menschen durchbrechen Schranken der Ausgrenzung“ teil. Organisierte wurde das Event von der Stiftung CAUX-Initiativen der Veränderung. Im Rahmen der Reihe "Enriching Encounters – Begegnungen, die bereichern" hat CAUX-IofC nun bereits zum dritten Mal mit der UN-Bibliothek zusammengearbeitet.
„Jungen Menschen mit Initiative eine Stimme geben“
Barbara Hintermann, Generalsekretärin der Stiftung CAUX-IofC, erinnerte das Publikum daran, wie wichtig es sei, junge Mensche einzubeziehen und ihnen eine Stimme zu geben, weil „die junge Generation unsere Zukunft und unser wichtigstes Gut ist“.
Genau dort setzt CAUX-IofC an und gibt jungen Menschen einen Raum, um ihre inspirierende Geschichte weiterzugeben und zu erzählen, wie sie aus ihren Fragen, Sorgen und Ideen Konstruktives geschaffen haben.
Die "Leser" konnten zwischen vielen verschiedenen menschlichen Büchern mit Geschichten über selbstinitiierte Projekte auswählen, die sich dem Brückenbau innerhalb der Gesellschaft widemen und Schritte für einen inklusiven Wandel unternehmen.
Salome Schmid und Flore Portmann wollten mit der Gründung von La Red Ausgrenzung in der Schweiz überwinden. La Red ist ein Haus in Freiburg, in dem der Kontakt zwischen Menschen verschiedener Kulturen und der gegenseitige Austausch auf Augenhöhe gefördert wird. Als sich die beiden jungen Frauen zur Gründung von La Red als einem interkulturellen Raum entschlossen, kannten sie einander noch nicht. Letztlich kam ihnen dies zugute, da sie dadurch ihr Netzwerk erweitern und unterschiedliche Gruppen erreichen konnten. Das Haus und die Veranstaltungen werden nun komplett von jungen Freiwilligen verwaltet.
Eine weitere Erfolgsgeschichte für interkulturellen Austausch ist das Sprachcafé Basel, eine Organisation, die Menschen dazu einlädt, in einem Basler Café für eine bessere Integration gemeinsam Deutsch zu üben. Die Deutschlehrerin und Mitgründerin Anita Ruggiero ist davon überzeugt, dass Sprache der erste Schritt auf dem Weg der Integration ist. Gemeinsam mit Jessica Eggeschwiler wollte sie einen Raum für Sprachaustausch schaffen. Jede Woche werden Neuankömmlinge – Flüchtlinge, Auswanderer und Anwohner – im Sprachcafé willkommen geheissen, um sich in einer lockeren Atmosphäre auszutauschen, zu spielen oder sich zu unterhalten.
„Ich wollte verstehen, warum mich jemand umbringen wollte, der so ähnlich aufgewachsen war wie ich und doch so anders wurde.“
Nachdem er 2011 die Anschläge auf Utøya/Norwegen überlebte, wollte Bjørn Ihler sich damit auseinandersetzen und verstehen, wie der Angreifer Anders Breivik zum Terroristen wurde. In den Medien wurde Breivik oft als Monster dargestellt. Doch der Mann, den Bjørn vor Gericht sah, „war einfach nur ein Mensch, gar nicht so anders als ich“. Er kam zu der Einsicht, alle Terroristen hätten eine menschliche Seite und er sich, um weiterleben zu können, „mit der Vergangenheit versöhnen und das Geschehene akzeptieren“ müsse . Sein Augenmerk liegt nun darauf, die Narrative des Opfers zu widerlegen. Dabei glauben gewaltbereite Extremisten, ihre Identität sei durch andere gefährdet und rechtfertigen ihre Gewalttaten mit ihrer Opferrolle. Um dieser extremistischen Narrative entgegenzutreten, müsse man Menschen stärken, ihre Menschlichkeit schätzen und ihnen „Wertschätzung entgegenbringen - eine positive Idee, durch die sie andere Mittel als Gewalt für ihre Ziele lernen“. Bjørn Ihler ist Mitglied der Initiative „Extremely Together“ der Kofi-Annan-Stiftung, einer Gruppe junger Menschen, die aktiv gewaltbereitem Extremismus begegnen, um ihn zu verhindern. Er ist zudem Mitgründer des Unternehmens Omelas, das Extremismus mit Hilfe von Technologie entgegenwirkt.
Bjørn glaubt an Storytelling als Instrument für den Wandel: „Die Geschichten, an die wir glauben, prägen unsere Wahrnehmung der Welt, unser Verhalten. Wenn wir diese Geschichten verändern, können wir Leben verändern.“ Storytelling ist ein wesentlicher Baustein des Ansatzes von CAUX-IofC. Bjørn Ihler wird am 30. Juni 2017 seine Geschichte bei der offiziellen Eröffnung des Caux Forums erzählen, einem öffentlichen Event, bei dem die Zusammenhänge zwischen Ungerechtigkeit und Extremismus erörtert werden.
„Entschlossenheit und Engagement“
Alles begann damit, dass vier junge Leute, die über eine sozialwirtschaftliche Integration von Flüchtlingen in Genf besorgt waren, ihre Köpfe zusammenstecken und ein Startkapital für ihr innovatives Projekt erhielten. Ihre Idee: Eine umgekehrte Jobbörse, bei der Flüchtlinge ihre Fähigkeiten und ihren beruflichen Hintergrund mit möglichen Arbeitgebern teilen konnten. Kurz darauf folgten eine Konferenz über die Integration von Flüchtlingen und eine Online-Jobbörse, die bis heute Flüchtlinge und Arbeitgeber zusammenbringt. Das Ergebnis ist THRIVE (Towards Holistic Refugee Integration through Valuable Engagement = Zu einer umfassenden Integration von Flüchtlingen durch wertvolles Engagement).
„Es war nicht immer einfach“, bemerkten die THRIVE-Koordinatoren Lisa Godde und Abdullatif Alabdullah, aber mit Entschlossenheit konnte das junge Team alle Herausforderungen meistern, wie z. B. den Aufbau eines Netzwerks, die Beschaffung von Fördermitteln und die Balance zwischen Praktika und Studium. Mittlerweile gäbe es 40 Freiwillige bei THRIVE, sechs Flüchtlinge hätten über die Plattform Jobangebote gefunden und das Netzwerk erweitere sich stetig.
Die menschlichen Bücher hatten viele Tipps für alle, die ein soziales Projekt auf die Beine stellen wollen: sich so oft wie möglich um finanzielle Förderung und Unterstützung bewerben, Entschlossenheit und Engagement, gegenseitige Motivation, aus Fehlern lernen und flexibel bleiben, wenn nicht alles so läuft, wie ursprünglich geplant.
Auf die Frage, wie sie sich nach dem Zuhören fühlten, fassten die Teilnehmenden in einem Wort zusammen: inspiriert. „Ich habe so viele verschiedenen Wege kennengelernt, Veränderungen zu schaffen und wie wichtig Kontakte dabei sind“, sagte ein Teilnehmer. „Die Zivilgesellschaft muss die Lücke füllen. Und diese Veranstaltung hat mich dazu inspiriert, genau das zu tun.“
Sie haben die Menschliche Bibliothek verpasst? Lassen Sie sich diesen Sommer beim Caux Forum inspirieren! Das Caux Forum ist eine anregende Plattform, die durch Events, Trainingsprogramme und Dialoge menschliches Potential für globalen Wandel entfalten hilft.