Caux-Dialog über Land und Sicherheit (CDLS) 2018: Tag für Tag
CDLS 2018
20/08/2018
Dieser Bericht fasst die viertägige Konferenz Caux-Dialog über Land und Sicherheit 2018 zum Thema "Landschaften des Friedens: Renaturierung zur Lösung von Konflikten" zusammen. Die Veranstaltung fand vom 17.-21. Juli 2018 im Caux Palace Konferenz- und Seminarzentrum in Caux/Schweiz statt. Über 120 Teilnehmende kamen, um die Rolle der Landverödung bei Konflikten zu thematisieren und sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie Frieden wiederhergestellt werden kann. Dabei wurden ökologische und sicherheitsrelevante Herausforderungen hervorgehoben, die die Welt in den nächsten 20 Jahren prägen werden. Der diesjährige Themenschwerpunkt umfasste ausserdem Finanzmechanismen der Renaturierung und die Rolle der Blockchain-Technologie zur Kontrolle von Katastern und Lieferketten.
Tag 1: Renaturierung zur Lösung von Konflikten
Eröffnungsreferentinnen und -referenten: Irina Fedorenko, Leiterin und Managerin von CDLS; Barbara Hintermann, Generalsekretärin der Stiftung IofC Schweiz; Pradeep Monga, stellvertretender Exekutivsekretär der UNCCD; Dennis Kucinich, ehemaliger US-Kongress-Abgeordneter; Elizabeth Kucinich, Kucinich-Institut für menschliche und ökologische Sicherheit.
Irina Fedorenko hob hervor, es sei wichtig, Themen wie Landverödung und Konflikte als zusammenhängende Problematik anzusprechen und sich auf Lösungen zu konzentrieren, die ökologische Renaturierungsprojekte nutzen, um Vertrauen und Frieden zu schaffen. Die Schaffung und Förderung hochtechnologisierter Arbeitsstellen in der Land- und Forstwirtschaft für junge Menschen könne das Bildungsniveau steigern, Kapazitäten schaffen und letztlich Migration verlangsamen.
Barbara Hintermann erklärte, steigender Druck auf natürliche Ressourcen durch steigende Nachfrage nach Lebensmitteln und Energie sei die grösste Herausforderung für die Menschheit und Grund für Konflikte. Im Jahjr 2050 bräuchten rund 9 Milliarden Menschen Lebensmittel, obwohl jedes Jahr rund 12 Millionen Hektar Kulturland verloren gingen. Dieser Trend müsse umgekehrt werden. Über 75 % der von Landverödung Betroffenen seien arm.
Pradeep Monga gab einen Überblick über soziale Herausforderungen der Renaturierung und betonte die Bedeutung einer grenzübergreifenden Kooperation. „Wir alle teilen den Glauben, dass uns das Land, wenn wir ihm etwas gegeben haben, etwas zurückgibt: es ernährt und schützt uns und schafft Wohlergehen – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch auf sozialer und ökologischer Ebene.“ Landverödung verstärke Krisen und untergrabe das Wohlergehen der Menschen. Sie betreffe über 3,2 Milliarden Menschen weltweilt und trage damit auch zu Massenmigration bei. Bis 2050 müsse die Lebensmittelversorgung um 70 % sowie die Wasserversorgung um 50 % steigen. Kleinbauern spielten hier eine entscheidende Rolle. Mehr zur Teilnalhme von Pradeep Monga finden Sie hier.
Elizabeth Kucinich rief zu einem Diskurswandel auf, der sich statt um Krieg und Auseinandersetzungen um Frieden und das Teilen von Ideen drehen solle. Die Menschen müssten die Komplexität und Vielfalt verstehen und ökologisch denken. Ökologischer Wandel erfordere einen ganzheitlichen Ansatz, der Umweltprobleme als Möglichkeiten erkennt. Die Investition in Renaturierung und CO2-Bindung könne wahren Wohlstand und Überfluss schaffen.
Dennis Kucinich sprach über die Gefahren der Polarisierung zwischen Gemeinden, Staaten, Nationen und Religionen. Auf Wissenschaft und Fakten basierende Visionen müssten mit inneren Visionen ein Einklang gebracht werden, um eine andere Welt und eine Zukunft, wie wir sie uns erträumen, zu "erfinden". „Die einzige Grenze für uns ist unser eingeschränktes Denken. Wir sollten uns selbst herausfordern, uns selbst zu übertreffen, um uns zu verbessern und uns mit der Natur auszusöhnen.“
Tag 2: Ökosystem und Renaturierung
Referentinnen und Referenten: Natalie Topa, Koordinatorin für regionale Resilienz und Lebensgrundlagen in Ostafrika und im Jemen für das Danish Refugee Council; Ruchi Jain, Gründerin von Taru Organics; Seth Itzkan, Gründer von Soil4Climate; Dalmas Tiampati, Generaldirektor des Maasai Center for Regenerative Pastoralism; Sai Kishore Nellore, Geschäftsführer von VEDA Climate Change Solutions Indien; John D Liu, Gründer der Ecosystem Restoration Camps; Irina Fedorenko, Mitgründerin von BioCarbon Engineering; Luca Montanarella von der Europäischen Kommission; Patrick Worms, leitender Berater für Wissenschaftspolitik beim World Agroforestry Centre; Rolex Award-Preisträgerin Christine Keung; Alan Laubsh von Lykke; Bremley WB Lyngdoh, Gründer von WorldView Impact.
Der Umwelttag des CDLS widmete sich komplexen Problemen, denen sich Umwelt und Natur ausgesetzt sehen sowie dem Potenzial einer grossangelegten Renaturierung.
Die Referentinnen und Referenten gaben einen weltweiten Überblick über die Ursachen der Landverödung. Der Mensch hat die Oberfläche unseres Planeten durch seinen Lebensstil, seine Ernährung und den Klimawandel auf tiefgreifende und weitreichende Art verändert. Landverödung betrifft Länder aller Einkommens- und Entwicklungsniveaus. Erfolge bei den nachhaltigen Entwicklungszielen erforderen einen Stopp und eine Umkehr der Landverödung. Nationale Regierungen, lokale Institutionen und internationale Organisationen müssen dafür eng zusammenarbeiten.
Es herrscht lange die Meinung, Wüstenbildung und ökologische Degradation betreffe nur bestimmte Länder und Gebiete. Inzwischen ist klargeworden, dass Umweltthemen keine Grenzen berücksichtigen und die Verödung an einem Ort die Bedingungen in einem völlig anderen Land mitbeeinflussen können. Bislang hat sich der Einfluss des Menschen negativ auf die Welt ausgewirkt und zu einem Kollaps des Ökosystems geführt. Aber ist das unausweichlich? Alle natürlichen und sozialen Systeme sind verknüpft und wenn Menschen über trennende Faktoren hinwegblicken und systemisch denken, können wir diesen negativen Trend umkehren.
Die Referentinnen und Referenten präsentierten viele verschiedene Wege, um Landverödung anzugehen. Dabei wurden u.a. praktische Projekte, technische Lösungen und neue Finanzmechanismen vorgestellt. So pflanzen zum Beispiel Camps zur Wiederherstellung von Ökosystemen neue Bäume, erhalten dadurch mit geringem Kostenaufwand bestehende Landschaften und verbessern die ländliche Lebensgrundlage. Umfassende Projekte fördern Ernährungssicherheit durch die Wiederbelebung traditioneller Nahrung, die Stärkung von Ökosystemleistungen, Klimaresilienz und Landwirtschaft.
BioCarbon Engineering beispielsweise setzt Drohnen ein, um Ökosysteme wiederherzustellen und pflanzt Bäume in Myanmar, wo Baumpflanzung durch Lykke Wallet und der auf der Blockchain basierenden Baum-Münze gefördert wurde und die Worldview International Foundation die Menschen vor Ort durch die Schaffung nachhaltiger Arbeitsplätze unterstützt.
Tag 3: Gemeinschaft schaffen
Peter Rundell und Olivia Lazard von Initiativen für Land, Leben und Frieden eröffneten den dritten Tag. Sie zeigten auf, wie fehlendes Wissen zu Katastrophen führt und globale Ungleichheit mit zunehmender Geschwindigkeit wächst. Es ist für den Erfolg internationaler Programme der Friedensförderung entscheidend, sicherzustellen, dass Entwicklung den Armen zu Gute kommt, Kleinbauern unterstützt und Arbeitsstellen für junge Leute schafft.
Der Gründerin von 4GGL Jin In zufolge werden jedes Jahr mehr Mädchen als Jungen umgebracht, abgetrieben und vernachlässigt. Weltweit gibt es 65 Millionen Männer und Jungen mehr als Frauen und Mädchen. Ihre leidenschaftliche Rede handelte von der Notwendigkeit, Frauen zu stärken, was wiederum die Möglichkeiten von Frauen und Mädchen bei Entscheidungen stärke und letztlich zu Taten und Resultaten führe. Eine bessere Bildung von Mädchen und die Stärkung von Frauen betrifft ihrer Meinung nach alle nachhaltigen Entwicklungsziele, stärkt den Frieden und kommt der Umwelt zu Gute.
Lisa Yasko ist Leiterin von Witness, einer Theateraufführung, die dem Massaker von Babi Yar in der Ukraine im Zweiten Weltkrieg gewidmet ist, bei dem zehntausende Juden umgebracht wurden. Ihre Präsentation nahm das Publikum mit, um die Tragödie und den Heilungsprozess zu entdecken, der derzeit in der Ukraine stattfindet.
Yevgeniia Kuleba stellte die NGO Garden-City vor, ein Projekt, das sie während der Maidan-Revolution in der Ukraine 2014 ins Leben rief, um es Menschen zu ermöglichen, ihre Städte und öffentlichen Plätze wiederherzustellen.
Pinaki Dasgupta, Landesdirektor von Green Faith, präsentierte religiöse Initiativen, um dem aktuellen Klimawandel durch den Islam, Hinduismus, Sikhismus, Buddhismus und das Christentum zu begegnen. Er beschrieb Glauben als universelles Mittel, durch das Menschen eine Verbindung eingehen könnten und das ökologisches und soziales Heilen ermögliche.
Sana Syed hatte bei CDLS 2017 am Emerging Leaders-Programm teilgenommen. Sie sprach über ihr Projekt, um junge Musliminnen und Muslime in Chicago zu Handwerkerinnen und Handwerkern auszubilden.
Ekaterina Zatuliveter ist die Gründerin von Altourism. Die Organisationen möchte Touristinnen und Touristen für die Instandsetzung von russischen Dörfern gewinnen. Sie sprach über die Bedeutung, Jugendliche weiterzubilden, um ihre Traditionen wiederzubeleben und aktive ländliche Gemeinschaften zu schaffen.
Bei der abschliessenden Podiumsdiskussion hielt Denise Lievesley, Rektorin des Green Templeton College in Oxford, eine Rede über die Zukunft von Bildung und die Bedeutung, junge Menschen bei der Neudefinierung der Welt von morgen zu unterstützen.
Alan Channer stellte den kenianischen Dialog über Land und Sicherheit vor und diskutierte die Herausforderungen von Friedensschaffenden bei der Beilegung von Konflikten zwischen und innerhalb von Gruppen.
Marc Ian Barasch, Mitgründer von ReGen18, stellte sein Buch "The compassionate life" vor, das sich damit befasst, wie Dürre und Wüstenbildung Hirtinnen und Hirten im Norden Nigerias zwangen, auf der Suche nach Weideland nach Süden zu ziehen. Dies wiederum führte zu Konflikten mit dort lebenden Landwirtinnen und Landwirten, die ihre Ernte schützen wollten.
Tag 4: Nachhaltige Finanzierung und neue Renaturierungswirtschaft
Den Vorsitz am Tag über Finanzierung übernahmen Rishabh Khanna von IofC Schweden, Leiter des Projekts Invest in Peace, und Elizabeth Kucinich vom Kucinich-Institut für menschliche und ökologische Sicherheit. Die Referentinnen und Referenten sprachen über innovative Wege, Renaturierung zu finanzieren und konzentrierten sich auf neue Wirtschaftsmodelle, nachhaltige Finanzierung, regenerative Wirtschaft sowie die Blockchain-Technologie.
Unter den Podiumsteilnehmenden befanden sich Expertinnen und Experten für regenerative Wirtschaft und Blockchain wie: Ash Domah von Tradom; Nhat Vuong von Water Inception; Christopher Lindstrom, Mitgründer der Catalyst Bioenergy Group; John Roulac von Nutiva; Tom Duncan von Regen Investment; Christian Shearer vom Regen Network; Carl Pendragon von Skymining; Alan Laubsch von Lykke; David Sab vom Symbol Network; John D Liu von den Ecosystem Restoration Camps und Jamie Walton von Welsh Circular Economy.
Bei den Präsentationen wurde betont, dass das monetäre System Renaturierung unterstützen müsse. Gute Regierungsführung, Stabilität und Liquidität seien entscheidend. Landregenerierung erfordere die Fähigkeit, die lokale Bevölkerung für die Durchführung von Renaturierungsprojekten bezahlen zu können und brauche gesicherte Anfangsinvestitionen sowie die Unterstützung lokaler Regierungs- und Finanzinstitutionen. Die Blockchain-Technologie sei ein Mittel, um Vertrauen in das Wirtschaftssystem zu stärken.
Die Veranstaltung konzentrierte sich auf eine Veränderung des aktuellen Profitsystem, um durch die Schaffung von Kapitalrenditen für Renaturierung und die Entwicklung neuer Modelle anstelle von Anreizen zur Landverödung Anreize für Renaturierung zu setzen und das Vertrauen von Investorinnen und Investoren zu gewinnen. John Roulac hob die Verbindung zwischen der Gesundheit der Böden und der der Menschen hervor. Die Kosten, nichts zu tun, seien viel höher, als die Kosten, die zur Renaturierung degradierter Flächen notwendig seien. Er sei davon überzeigt, renaturierte Flächen ermöglichten nicht nur Kapitalrendite, sondern kehrten auch den Klimawandel um, böten der lokalen Bevölkerung Einkommenschancen, reduzierten die Zahl der Klimaflüchtlinge und leisteten einen Beitrag zur Friedensförderung.
John D Lui schloss den Tag mit einer Liste von vier positiven Ergebnissen der Renaturierung: Inspiration, Sozialkapital, Naturkapital und Finanzkapital.