1977: Alec Smith and Arthur Kanodereka – „Jetzt ist er mein Bruder.“
Von Michael Smith
19/07/2021
Zwei Kollegen, die 1977 aus Rhodesien (heute Simbabwe) nach Caux kamen, hätten unterschiedlicher nicht sein können. Der eine war Alec Smith, der abtrünnige Sohn des weissen Premierministers Ian Smith, der andere der schwarze Nationalistenführer Reverend Arthur Kanodereka. Kanodereka war Schatzmeister des United African National Congress und gegen alles, wofür Ian Smith stand.
Arthur und Alec hatten sich erstmals 1975 auf einer internationalen multirassischen Konferenz in der Hauptstadt Salisbury (heute Harare) getroffen. Dort entschuldigte sich Alec für die überlegene Haltung der Weissen gegenüber den Schwarzen. Arthur war erstaunt und lud Alec ein, in seiner Kirche in der schwarzen Township von Harare zu sprechen. Es war ein mutiger Schritt, den Sohn eines bei der schwarzen Bevölkerung so verhassten Premierministers in ein Gebiet einzuladen, in dem die Polizei gerade 13 Randalierende erschossen hatte.
Arthur sagte der Gemeinde: „Brüder und Schwestern, ich möchte euch den Sohn des Mannes vorstellen, den ich am meisten gehasst habe. Jetzt ist er mein Bruder.“ Alec sprach zu den Menschen, wie er es bei der Konferenz zuvor schon getan hatte.
Er war erstaunt über die Reaktion. Als er die Kirche betrat, hatte er sich in Gedanken den nächstgelegenen Ausgang notiert, für den Fall, dass es gewalttätig werden würde. „Aber die Gemeinde nahm mich beim Wort. Sie kamen auf mich zu, jeder von ihnen, und schüttelten mir die Hand.“
Ich möchte euch den Sohn des Mannes vorstellen, den ich am meisten gehasst habe. Jetzt ist er mein Bruder.
In den nächsten Jahren sprachen Arthur und Alec zusammen im ganzen Land, sowie auch in Südafrika und Europa, einschliesslich Caux.
„Ich erkannte, dass es meine Verbitterung selbst war, die mich gefangen hielt“, erzählte Arthur seinem Publikum. "Als meine Verbitterung weg war, war auch jede Unterwerfung oder Minderwertigkeit verschwunden. Jetzt bin ich kein Sklave mehr, weder schwarz noch weiss. Ich bin ein freier Mann.“
Auch Alec hatte innere Befreiung erfahren. Als Teenager war er in seiner Rebellion gegen den Vater in den Alkohol- und Drogenmissbrauch abgerutscht. Er wurde von der Universität in Südafrika verwiesen und an der Grenze zu Mosambik wegen Drogenhandels verhaftet und zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Als er eines Tages 1972 durch Salisbury fuhr, hörte er eine Stimme, die sagte: „Fahr nach Hause und lies das Neue Testament.“ Es war so real für ihn, dass er das Auto anhielt, um zu sehen, wer gesprochen hatte. Aber es war niemand da. Mit dem Lesen der Bibel begann eine Veränderung, die ihn von Drogen und Alkohol befreite und ihm die Augen für den Rassismus in seinem Land öffnete. „Ich wurde mir der täglichen Erniedrigung und Demütigung der Schwarzen und der arroganten, gedankenlosen Haltung vieler Weisser bewusst“, schrieb er.
Ich wurde mir der täglichen Erniedrigung und Demütigung der Schwarzen und der arroganten, gedankenlosen Haltung vieler Weisser bewusst.
Diese Realitäten hatten einen bewaffneten Konflikt im Land provoziert, als Guerillakräfte für den Sturz der weissen Minderheitsherrschaft kämpften. Arthur und Alec waren Teil einer informellen Gruppe von hochrangigen Schwarzen und Weissen, dem sogenannten „Kabinett des Gewissens“, das sich für eine Lösung einsetzte. Arthur stand ausserdem in Kontakt mit den Kämpfenden. Er kannte die Gefahren, glaubte aber, dass er helfen könnte, die Bedingungen für echte Verhandlungen zu schaffen. Achtzehn Monate nach dem Besuch in Caux wurde er ermordet.
Alec trauerte, arbeitete aber weiter. Er und seine Kolleginnen und Kollegen arrangierten 1980 am Vorabend der Unabhängigkeit des Lande ein entscheidendes Treffen zwischen Ian Smith und Robert Mugabe. Die beiden Männer unterhielten sich mehrere Stunden lang und kamen zu einer gewissen Verständigung. Mugabes anschliessender Ton der Versöhnung verblüffte die Welt, und ein von den Weissen geführter Militärputsch wurde abgewendet.
20 Jahre lang herrschte unter Mugabes Herrschaft ein bemerkenswertes Mass an Harmonie zwischen schwarzen und weissen Simbabwerinnen und Simbabwern und das Land blühte auf. Dies brach im Jahr 2000 zusammen, als Mugabe ein Referendum zur Wahl zum Präsidenten auf Lebenszeit verlor und rücksichtslos seine Kontrolle durchsetzte.
Alec lernte seine norwegische Frau Elisabeth in Caux kennen. Sie heirateten 1979 und bekamen drei Kinder. Als er 2006 an einem Herzinfarkt starb, hiess es in seinem Nachruf in der britischen Tageszeitung The Independent: "Man könnte sagen, dass der Anfang vom Ende der weissen Herrschaft bei einer Tasse Tee begann, als Smith Kanodereka nach Hause brachte, um seinen Vater kennenzulernen."
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Folker und Monica Mittag erinnern sich:
Im Juni 1978 predigte Arthur Kanodereka im deutschen Freudenstadt auf einer internationalen Konferenz anlässlich des 100. Geburtstages von Frank Buchman, dem Gründer der Moralischen Aufrüstung (heute Initiativen der Veränderung). Buchman war 1961 in Freudenstadt gestorben.
Die Kirche, in der 1.700 Menschen Platz fanden, war überfüllt. "Ich habe gelernt, dass man einen Menschen nicht ändern kann, wenn man ihn hasst", sagte Kanodereka, "Man macht ihn nur noch schlimmer. Aber mit der Liebe, die Gott schenkt, kann man jedem begegnen und ihn gewinnen."
Wir hatten uns beide eine Auszeit von der Arbeit genommen, um bei der Konferenz zu helfen, trafen uns aber erst einige Jahre später wieder. Monica war als Übersetzerin und Dolmetscherin tätig, und Folker gehörte zum Organisationsteam.
Aus der ganzen Welt trafen Nachrichten ein, unter anderem von Helmut Schmidt, dem damaligen Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Er schrieb: "Frank Buchman war überzeugt, dass Politik eine moralische Grundlage haben und das Böse durch ein leidenschaftliches Streben nach dem Guten überwunden werden sollte. Diese Ziele haben nichts von ihrer Bedeutung verloren."
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Sehen Sie den Film Dawn in Zimbabwe über Alec Smith und Arthur Kanodereka, 1980
Sehen Sie einen Auszug mit Alec Smith und Arthur Kanodereka (ab 21"30') bei einer Konferenz 1977 (Film: Choice for an impatient world)
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Diese Geschichte ist Teil unserer Serie "75 Jahre der Geschichten" über Einzelpersonen, die durch Caux eine neue Richtung und Inspiration für ihr Leben gefunden haben - eine Geschichte für jedes Jahr von 1946 bis 2021. Wenn Sie eine Geschichte kennen, die sich für diese Serie eignet, leiten Sie Ihre Ideen bitte per E-Mail an John Bond oder Yara Zhgeib. weiter. Wenn Sie mehr über die Anfangsjahre von Initiativen der Veränderung und das Konferenzzentrum in Caux erfahren möchten, klicken Sie bitte hier und besuchen Sie die Plattform For A New World.
- Rhodesian Crisis, iofc.org
- Now I call him brother, Alec Smith, Marshals, 1984
- Dawn in Rhodesia, 1980 (film)
- Darkness and Dawn in Zimbabwe, Hugh Elliott, 1979
- Zimbabwe Call, Christoph Spreng, 1988
- Fotos: Initiativen der Veränderung
- Korrekturlesung: Teresa Healey