1959 – Lennart Segerstråle: "Kunst muss dem Bösen gefährlich sein"
Von Mary Lean
04/05/2021
Im Jahr 1959 wurde eine riesige Freske - “Am Strom des Lebens” - an der Wand des Speisesaals des Caux-Palace enthüllt. Sein Schöpfer, der finnische Künstler Lennart Segerstråle, wählte das universelle Bild des Wassers, um seine Vision von Caux darzustellen: ein Ort, an dem die Menschen zur Quelle kommen, um ihren inneren Durst zu stillen, und um dann das Wasser des Lebens in eine durstige Welt hinaus zu tragen. In der Mitte beugt sich eine dunkle Gestalt über das Wasser, sieht ihr Spiegelbild, steht verwandelt auf und strahlt Leben aus.
Der damals 68-jährige Segerstråle war Finnlands berühmtester Tiermaler, bekannt für seine monumentalen Fresken und Wandgemälde.
Die Finnische Nationalgalerie, die 105 seiner Werke besitzt, beschreibt die "Gegenüberstellung von Gut und Böse" als zentrales Thema. “Segerstråles Werke beschäftigten sich mit vielen moralischen Fragen der Nachkriegszeit, wie den Problemen der Entwicklungsländer, Rassenkonflikten und Umweltfragen", heißt es auf ihrer Website. Segerstråle selbst behauptete, dass “die Kunst der Zukunft dem Bösen gefährlich sein muss”.
Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg hatte Segerstråle an einer Konferenz der Moralischen Aufrüstung MRA (heute Initiativen der Veränderung) in Aulanko in Finnland teilgenommen, bei der es zu Versöhnungen zwischen Menschen kam, die durch den finnischen Bürgerkrieg, 20 Jahre zuvor, bitter entzweit worden waren. Dies half, das Land wieder zu vereinen, bevor Sowjetrussland später im selben Jahr einmarschierte. Segerstråle sagte, dass er das Fresko in Caux aus Dankbarkeit für das malte, was die MRA für Finnland getan hatte.
Zu Segerstråles bekanntesten Werken gehören seine Fresken in der Bank von Finnland in Helsinki und in der Hauptkirche von Varkaus. Letzteres soll mit 242 Quadratmetern die größte Freske in Skandinavien sein.
Wenn die Arbeit an einem Fresko auch nur für ein paar Stunden unterbrochen wird, muss der ganze Abschnitt neu gemacht werden - aber er war bereit, dieses Risiko auf sich zu nehmen.
Ein MRA-Freund, Paul Gundersen, besuchte ihn, während er daran arbeitete: “Er benutzte ein Gerüst auf Eisenbahnschienen, um sich an der Wand hin und her zu bewegen. Er hatte gerade seine Arbeit unterbrochen und sprach mit einer Frau, die mit der Absicht gekommen war, ihn um persönliche Hilfe zu bitten. Wenn die Arbeit an einem Fresko auch nur für ein paar Stunden unterbrochen wird, muss der ganze Abschnitt neu gemacht werden - aber er war bereit, dieses Risiko auf sich zu nehmen.”
1970 gehörte Segerstråle zu einer Gruppe von Künstlern aus vielen Fachrichtungen, die sich in Caux trafen. Die Konferenz führte zu einem Buch, New Life for Art, zu dem Segerstråle einen Beitrag leistete. “Die grundlegendste aller Tatsachen über Kunst ist, dass der Mensch und die Kunst eins sind", erklärte er. Persönliche Faktoren wie Angst vor den Kritikern oder “ein falscher Ehrgeiz” könnten die Kreativität beeinträchtigen: “Es kann viele Feinde in mir geben, die meine Arbeit verderben.”
Die grundlegendste aller Tatsachen über Kunst ist, dass der Mensch und die Kunst eine und die selbe Person sind.
Er nannte als Beispiel die Zusammenarbeit mit einer Assistentin an einer Kirchenfreske. “Eines Tages probierten wir die Farben für die nächste Fläche aus. Beide machten wir einige Versuche und verglichen sie. Ich sah sofort, dass die Farben meiner Kollegin besser waren als meine, aber ich entschied, dass wir mit meiner Wahl weitermachen sollten. Meine Kollegin stimmte schweigend zu. Aber es war keine Freude dabei. Die Teamarbeit funktionierte nicht. Das Ergebnis wurde zusehends schlechter.” Am dritten Tag gestand er seiner Kollegin schließlich seine Eifersucht, entschuldigte sich und bat ihren entsetzten Maurer, die Wandoberfläche zu erneuern, damit sie nochmals anfangen konnten.
Als Christ sah Segerstråles seine Kunst, unabhängig vom Thema, als Ausdruck seiner Beziehung zu Gott. Er unterstützte die MRA großzügig und spendete das Honorar für einen seiner Aufträge - fast ein halbes Jahreseinkommen - für die Synchronisation des Films Freedom auf Suaheli (siehe 1955). Gundersen war überzeugt, dass ihn seine Loyalität zur MRA in einer kontroversen Zeit eine Auszeichnung des Präsidenten kostete.
“Vielleicht war es verständlich, dass einige, die Lennart nahe standen, das Gefühl hatten, dass sein christliches Engagement zu viel von seiner Zeit stahl”, schrieb Gundersen. “Lennart sagte mir einmal, dass diese Kritiker die tiefste Quelle seiner Inspiration nicht erfassten.”
Diese Quelle steht auch im Mittelpunkt seiner Freske in Caux.
Im Laufe der Jahre haben sich Künstlerinnen und Künstler aller Disziplinen von Lennart Segerstråles Konzept der "Kunst, die dem Bösen gefährlich ist" inspirieren lassen. Viele von ihnen bereiten sich darauf vor, in diesem Jahr, 75 Jahre der Begegnungen von Caux zu feiern. Eine Reihe von Kunstveranstaltungen wird mit einer Online-Veranstaltung am 29. Mai eröffnet. Bleiben Sie dran und entdecken Sie nach und nach im Laufe des Jahres eine Vielzahl von Aufführungen, künstlerischen Präsentationen und Workshops!
Kunst spiegelt den Zeitgeist wider. Sie ist ein Teil der Gegenwart, aber sie blickt auch in die Zukunft und gestaltet diese mit. Sie berichtet über das Schicksal der Menschheit.
Lennart Segerstråle
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Links:
In der Mitte des Freskos blickt eine Figur in den Spiegel des Lebensbrunnens und findet sich von Dunkelheit erfüllt. In seinem Herzen findet eine Veränderung statt, und er erhebt sich, strahlend vor Licht, mit offenen Augen für eine neue Welt und ein neues Leben. Fünf Figuren hinter ihm tragen das lebendige Wasser zu den fünf Kontinenten.
Rechts:
Die Antilopen im Vordergrund und die Figuren, die Schalen tragen, stehen für die Millionen, die sich nach dem Brunnen sehnen. Im Vordergrund bietet ein Afrikaner seine Schale mit Wasser einem kranken weißen Mann an: ein Symbol für Afrika, das einer westlichen Welt, die ihren Weg verloren hat, Heilung bringt.
Links:
Menschen verschiedener Rassen und Kontinente strömen zum Wasser und strecken ihre Hände zur Versöhnung aus. Die Kinder halten einen Wedel der Friedenspalme.
Rechts:
Die vier Schlangen in der unteren rechten Ecke stehen für die inneren Feinde, die die Herzen der Menschen vergiften. Mutter und Vater beschützen ihre Kinder, indem sie einen Speer zum Angriff erheben. Sie beziehen Stellung im Kampf zwischen Gut und Böse, Wahrheit und Falschheit.
Lesen Sie die ausführliche Beschreibung der verschiedenen Szenen der Freske.
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Diese Geschichte ist Teil unserer Serie "75 Jahre der Geschichten" über Einzelpersonen, die durch Caux eine neue Richtung und Inspiration für ihr Leben gefunden haben - eine Geschichte für jedes Jahr von 1946 bis 2021. Wenn Sie eine Geschichte kennen, die sich für diese Serie eignet, leiten Sie Ihre Ideen bitte per E-Mail an John Bond oder Yara Zhgeib. weiter. Wenn Sie mehr über die Anfangsjahre von Initiativen der Veränderung und das Konferenzzentrum in Caux erfahren möchten, klicken Sie bitte hier und besuchen Sie die Plattform For A New World.
- Incorrigibly Independent, Paul Gundersen, Caux Books, 1999
- New Life for Art, Victor Sparre Grosvenor Books, 1971
- Portrait (Teaser): Jan Franzon
- Foto 1970 mit Freunden in Caux: Lars Rengfelt
- Foto oben, Portrait, L.S. bei der Kreation der Freski, vor der Freske: Initiativen der Veränderung
- Fotos der vier Szenen: Cindy Bühler
- Korrekturlesung: Maya Fiaux