Janine Farah

 

Janine Farah ist 23 Jahre alt und lebt in Australien. Sie ist Studentin der Friedens- und Konfliktforschung.

Schwarze Leben zählen. Schwarze Geschichten sind wichtig. Die Geschichte dessen, was wir jetzt tun, zählt.

12/06/2020
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Geschichten haben Kraft. Für IofC zählt der Austausch von Geschichten als ein mächtiges Werkzeug für Veränderungen. Geschichten inspirieren diejenigen, die zuhören, und geben ihnen die Chance, eine neue Perspektive zu gewinnen und sich in die Rolle des Erzählenden zu versetzen. Der Austausch gibt ausserdem denjenigen, die ihre Geschichten erzählen, einen besseren Einblick. Dieser Prozess macht uns allen bewusst, dass auch die Geschichten ausgegrenzter Menschen Teil unserer Geschichten sind und dass wir alle Puzzleteile derselben Geschichte sind.  

Allerdings werden Geschichten oft von den Machthabenden erzählt. Manche Geschichten werden gar nicht erzählt. Manche Geschichten werden angepasst oder sogar ausgelöscht.

"Als Afroamerikanerin habe ich gelernt, dass in meinem eigenen Land manche Menschen dazu neigen, unsere Geschichte wegzuradieren", erzählte uns Shalisa Hayes aus den USA im Jahr 2018. Die Gründerin und Geschäftsführerin der Billy Ray Shirley III Foundation kam zweimal nach Caux, um die Geschichte ihres Sohnes zu erzählen, der durch Schusswaffen ums Leben gekommen war.

Zwei Jahre später haben ihre Worte nach der Ermordung von George Floyd neue Kraft gewonnen. Seine Geschichte wird nicht ausradiert werden, denn viele haben sich mit ihr identifiziert und beschlossen, sie weiterzugeben. Sie ist um die Welt gegangen und hat internationale Resonanz gefunden, weil sie kein isolierter Einzelfall ist, weder in den USA, noch anderswo auf der Welt. Die Geschichte des Rassismus ist in Wirklichkeit ein globales Phänomen: eine Geschichte, an deren Erzählung jeder teilhat.

Auch in der Schweiz ist Rassismus präsent. In einem kürzlich erschienenen Bericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz heisst es, dass in der Schweiz "der institutionelle und strukturelle Rassismus in der Polizei nach wie vor ein Problem darstellt. Er manifestiert sich in rassistischen Profilen und Identitätskontrollen, die vor allem auf Personen mit einer reisenden Lebensweise und auf Menschen schwarzer Hautfarbe abzielen". Die Geschichte der Rassendiskriminierung und des Privilegs der Weissen ist international präsent.

Es ist entmutigend zu sehen, wie weit Rassendiskriminierung in unseren Gesellschaften auch heute noch verbreitet ist. Der immerwiederkehrende Mangel an Gerechtigkeit für schwarze Opfer sinnloser Tötungen verbietet es, selbstgefällig zu werden. Unsere Gedanken sind bei allen, die unter systemischer Brutalität und rassischer Ungerechtigkeit leiden.

Es liegt an jedem und jeder einzelnen von uns, eine neue Geschichte zu schreiben und uns dafür einzusetzen, eine nachhaltige Gesellschaft zu schaffen, die Diskriminierung ablehnt und ethisches Leadership fördert. Wir alle müssen uns überlegen, was wir in unserem eigenen Leben tun können, um gegen Machtungleichgewicht anzugehen und für eine Zukunft zu arbeiten, in der systemischer Rassismus keinen Platz hat.

Das Thema des diesjährigen Caux Forum Online lautet "Unsere Zukunft gemeinsam gestalten". Wir verpflichten uns, eine Plattform bereitzustellen, auf der alle Stimmen zu Wort kommen, alle Geschichten erzählt werden und auf der wir gemeinsam eine neue, umfassendere Geschichte schreiben können.

Die Konferenz Tools for Changemakers passt ihr Programm neu an, um die Rolle des Dialogs bei der Bekämpfung von Rassismus hervorzuheben. Sie wird Raum für die Teilnehmenden schaffen, ihre persönlichen Erfahrungen mit Privilegien und Diskriminierung auszutauschen.


Schwarze Leben zählen. Nicht nur, weil es Teil jener Geschichte ist, die wir von Initiativen der Veränderung erzählen wollen, sondern einfach, weil es Teil unserer gemeinsamen Menschheitsgeschichte ist.

Geben Sie diese Geschichte weiter! Geben Sie Ihre Geschichte weiter! 


    
Das Team und der Rat von Initiativen der Veränderung Schweiz

 


Wenn Sie möchten, dass wir Ihre Geschichte auf unserer Website oder auf unseren sozialen Medien veröffentlichen, schicken Sie uns bitte eine Email.

 

 

 

 

 

 

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Visier Sanyu portrait

 

Dr. Visier Sanyü schläft oft in seinem Baumhaus. Es ist ein Merkmal des 12 Hektar grossen Gartens der Heilung, den er im nordindischen Medziphema angelegt hat. Sanyü ist pensionierter Professor für Geschichte und Archäologie und zitiert Besucherinnen und Besuchern gegenüber gerne ein griechisches Sprichwort: "Eine Gesellschaft wird gross, wenn alte Männer Bäume pflanzen, von deren Schatten sie wissen, dass sie nie darin sitzen werden".

Sanyüs Vision ist es, "eine Gesellschaft zu fördern, die die natürliche Welt und ihr kulturelles Leben schützt, respektiert und mit ihr in Verbindung steht, so dass jeder Naga in der Lage ist, ein erfülltes Leben zu führen". Er selbst ist zutiefst beeinflusst von den Traditionen und der Kultur Nagalands. Er ist in einer Gemeinschaft aufgewachsen, in der Jhum - Brandrodung praktiziert wird. Sein Vater jagte nach Nahrung. Während des Naga-Aufstands in den späten 1950er Jahren lebte Sanyüs Familie zwei Jahre lang im Dschungel und zog von einem behelfsmässigen Lager zum nächsten, um der indischen Armee zu entkommen.

Er erinnert sich an eine Begegnung mit einem Tiger: "Er zog an unserem Lager vorbei und hielt an. Vater sagte, wir sollten stehen bleiben. Wir sahen uns eine scheinbar lange Zeit lang an. Dann verschmolz er wieder mit dem dichten Laub. Als ich viele Jahre später William Blakes Gedicht 'The Tyger' las, erinnerte ich mich lebhaft an diesen Moment.... Der Dschungel hat für mich eine spirituelle Bedeutung", erklärt Sanyü. "Wir waren von ihm abhängig und er hat uns am Leben erhalten. Er ist geheimnisvoll. Er ist wie eine Mutter. Er gibt mir Trost."

Sanyü ist einer der Ältesten des Angami-Stammes, ehemaliges Mitglied des Ältestenrats von Initiativen der Veränderung International (IofC) und Ehrenpräsident der Überseeischen Naga-Vereinigung.

Im Jahr 1974 wurde er eingeladen, an der IofC-Musikproduktion "Song of Asia" teilzunehmen, die durch Asien und Europa tourte. Sanyü hatte eine Sprechrolle in einem Sketch, der von einer Fehde inspiriert worden war, die tief in seine eigene Familie hineingegriffen hatte. Der Sketch mit dem Titel "Wer wird die Kette des Hasses durchbrechen?" handelte von einer Mutter mit drei Söhnen. Ihr erster Sohn wurde von der indischen Armee erschossen. Ihr zweiter Sohn, gespielt von Sanyü, wurde daran gehindert, sich an dem Dorfbewohner zu rächen, der seinen Bruder verraten hatte, und beging Selbstmord. Der dritte Sohn änderte seine Meinung und verriet den Informanten. Der dritte Sohn sagte zu seiner Mutter: "Wenn ich den Mut haben kann, einen Mann zu töten, warum kann ich dann nicht auch den Mut haben, ihn genug zu lieben, um ihn zu ändern?"

Visier Sanyu tree house

Sanyü erinnert sich: "Song of Asia veränderte mein Leben und liess einen Freundeskreis auf der ganzen Welt entstehen, der bis heute existiert".

1996 nahm er ein Sabbatjahr an der Fakultät für Soziologie und Anthropologie der La-Trobe-Universität in Melbourne. Es war eine Zeit der politischen Unruhen und des Brudermords in Nagaland und er beschloss, mit seiner Familie in Australien zu bleiben. Ein Freund witzelte, er sei "ein indigener Nichtaustralier, der ein nicht-indigener Australier geworden ist".

Er schloss sich dem Stab von World Vision an und leitete das erfolgreiche Projekt "Welcome to my place", das Gastfreundschaft für Flüchtlinge und Asylsuchende in Melbourne förderte. Pastor Tim Costello, der damalige Geschäftsführer von World Vision Australien, schrieb später eines der Vorworte zu Sanyüs Autobiografie "A Naga Odyssey". Das zweite Vorwort stammt von dem Autor und Historiker Rajmohan Gandhi, einem Enkel von Mahatma Gandhi.

Sanyü wusste, er würde eines Tages nach Hause zurückkehren müssen. "Es war eine innere Vision, ein Zwang, ein Traum", erinnert er sich. Ein klares Ziel hatte in seinem Kopf Gestalt angenommen: die Schaffung eines "Gartens der Heilung".

"Jede Naga-Familie hat ein Trauma erlebt", erinnert er sich. "Ich wollte einen heilenden Raum schaffen. Für mich war ein Garten eine sinnvolle Möglichkeit, dies zu tun".

Heute wachsen etwa 50 Baumarten in Sanyüs Garten der Heilung. In seinem Zentrum befinden sich zwei Hektar dichten Waldes, wo Sanyü auf einer kleinen Lichtung einen Kreis aus flachen Steinen installiert hat, in dem sich Menschen treffen können. Studierende, NGO-Gruppen, kirchliche Gruppen und verschiedene politische Fraktionen kommen hierher, um sich inmitten des Waldes zusammenzusetzen und auszutauschen.

"Früher hatte ich sechs Morgen Teakholz auf diesem Land, bevor ich nach Australien ging", erinnert sich Sanyü, "aber in letzter Zeit habe ich das Teakholz gefällt, das Holz verkauft und durch andere Arten ersetzt, um die Tierwelt zu fördern. Ich habe auch Obstbäume und Bambus gepflanzt, von denen wir in Nagaland viele einheimische Arten haben."

Die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten von Bambus stehen im Mittelpunkt der ländlichen Wirtschaft Nagas. Von der scharfen Klinge, die die Nabelschnur eines Neugeborenen entfernt, bis zur fein gewebten Matte, die über den Verstorbenen gewickelt wird, spielt Bambus während des gesamten Lebens der Naga eine wichtige Rolle. Bambus wächst schnell und ist ergiebig und wird im Bau- und Ingenieurwesen, zur Herstellung von Kleidung, im Kunsthandwerk, als Nahrungsmittel, in der Medizin und als Rohstoff für Zellstoff und Papier verwendet. Bambus entzieht der Atmosphäre mehr Kohlenstoff und setzt mehr Sauerstoff frei als ein Baumbestand auf der gleichen Fläche.

Sanyü ist der Ansicht, indigene landwirtschaftliche Praktiken sollten möglichst mit modernen, wissenschaftlichen Methoden integriert werden. Er weist auf mehrere Agroforstsysteme der Naga hin, insbesondere auf die Bestäubung der Himalaya-Erle auf den Feldern rund um sein Heimatdorf Khonoma, einer einheimischen Art, die Stickstoff fixiert.

Khonoma war das erste grüne Dorf Indiens, eine Auszeichnung, die es 2005 von der Regierung von Nagaland und der indischen Regierung erhielt.

"Einige der Ältesten in meinem Dorf wollten den Wald und unser Naturerbe schützen", erinnert sich Sanyü. "Sie gewannen den Streit mit denjenigen, die den Holzeinschlag und die Jagd wie gewohnt fortsetzen wollten. 1998 wurde das 2000 Hektar grosse Naturschutzgebiet Khonoma Nature Conservation and Tragopan Sanctuary (KNCTS) offiziell abgegrenzt. Der Tourismus kam in Schwung. Besucherinnen und Besucher kommen aus der ganzen Welt zum Übernachten ins Dorf, darunter Ornithologinnen und Ornithologen, die den Blyth's Tragopan, den Naga-Zaunkönig, den Grossen Nashornvogel und unzählige andere Vogelarten sehen möchten.

Sanyü hat schon führende Aborigines aus Australien, Maoris aus Neuseeland und einen Sami-Führer aus Norwegen in seiner Heimat im Wald willkommen geheissen.

2018 sprach er beim Caux-Dialog über Land und Sicherheit in der Schweiz über seine Vision. Er glaubt, den indigenen Völkern der Welt komme eine wichtige Rolle zu: zu handeln und dafür einzutreten, um den störenden Klimawandel einzugrenzen, Bäume zu erhalten, zu regenerieren und neu zu pflanzen.

"Eines Tages besuchte mich eine in Amerika lebende Naga", erinnert sich Sanyü. "Wir setzten uns in den Wald. Ich machte Tee und servierte ihn in einer Bambustasse. Sie erzählte mir von ihrer Arbeit und ihrem Leben in Amerika. Plötzlich begann sie zu weinen. Dann sagte sie: 'Ich bin geheilt.' Ich bin kein Seelsorger oder Mönch. Wir sprachen nicht einmal über Heilung... Ich glaube, der Grund dafür ist im Wald zu finden."

 

 

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