1985: Renée Pan - Die Last der Rache ablegen
Von Mary Lean
03/09/2021
Renée Pan, eine der vielen kambodschanischen Flüchtlinge in den USA, kam 1985 nach Caux, um Vergebung zu lernen.
Renée war 1975 mit ihren beiden jüngeren Kindern fünf Tage bevor die Roten Khmer das Land übernahmenaus Kambodscha geflohen. (Ihr ältestes Kind war bereits in den USA.) Ihr Mann, der stellvertretender Premierminister, blieb zurück. Sie hat ihn nie wiedergesehen und konnte nur annehmen, dass er einer von bis zu zwei Millionen Kambodschanerinnen und Kambodschanern n war, die zwischen 1975 und 1979 von den Roten Khmer getötet wurden.
In den USA studierte Renée Statistik und Informatik und fand Arbeit. Sie schloss sich auch den kambodschanischen Exilantinnen und Exilanten an, die sich für die Befreiung ihres Landes einsetzten, wurde aber durch die Fehden zwischen ihnen entmutigt. Ihre Bemühungen, die Einheit zu fördern, schienen nur noch mehr Misstrauen zu schaffen.
“Meine Energie kam nicht von selbst zurück“, erinnert sie sich. "Mein Gehirn war leer und mein Herz war gefühllos und unsensibel. Ich wurde sehr leicht wütend, hasste schlechte Menschen, war unglücklich, selbstsüchtig und tat Dinge, die dumm waren."
1985 lebte Renée in Minneapolis-St. Paul, wo sie den Film For the Love of Tomorrow sah, in dem es um Irène Laures Versöhnungsarbeit ging, nachdem sie 1947 in Caux ihren Hass auf die Deutschen verloren hatte. Renée beschloss, in diesem Sommer nach Caux zu fahren, um Irène Laure zu treffen. Freunde vor Ort ermöglichten es ihr, eine Auszeit von Beruf und Familie zu nehmen, und eine von ihnen, Catherine Guisan, reiste mit ihr.
Renée stürzte sich in das Leben in Caux, kämpfte aber mit einer Herausforderung, die sich ihr stellte. “Jede Nacht kämpfte ich mit mir selbst”, saget sie. Schliesslich hatte sie ein kurzes Treffen mit Irène Laure (damals 87 Jahre alt) und fragte sie, wie man verzeihen könne. Irène sagte ihr, dass der Schlüssel darin liege, sich Zeit zu nehmen, um in Ruhe allein nachzudenken.
Ich wollte immer so sehr anderen helfen, dass ich nie daran dachte, selber frei zu werden.
“Ich wollte immer so sehr anderen helfen, dass ich nie daran dachte, selber frei zu werden”, erinnert sich Renée. "In einem Moment der Stille wurden mir die Lehren des Buddha zum ersten Mal wirklich bewusst. Ich erkannte, dass mein Geist von den 'drei Feuern der Welt' - Gier, Wut und Dummheit - verzehrt wurde. Sie beschloss, jeden Tag Zeit in der Stille als 'eine unverzichtbare Nahrung für meinen Geist' zu verbringen."
Renée sprach auf dem Podium in Caux über ihre Entscheidung, den Roten Khmer zu vergeben. “Man hätte eine Stecknadel fallen hören können”, erinnert sich Catherine. Den Roten Khmer zu vergeben, war damals verständlicherweise umstritten.
Nach ihrer Rückkehr in die USA entschuldigte sie sich zunächst bei ihren Freunden dafür, dass sie sie herabgesetzt hatte. Sie entschuldigte sich sowohl persönlich als auch öffentlich bei einem Führer der kambodschanischen Befreiungsbewegung und diese Entschuldigung wurde angenommen. “Ich war so erleichtert”, sagte sie.
1988 gründeten Renée mit Freunden in Minneapolis-St. Paul den Cambodian Children's Education Fund (CCEF). Gerry Kozberg, ein erfahrener Schulverwalter aus Saint Paul, half ihr bei der Entwicklung eines Konzeptes für ein innovativen Programms zur Einrichtung von Computerzentren in kambodschanischen Dörfern. Gerry, der jüdisch-russischer Abstammung war, sah dies - neben dem Holocaust - als einen Weg zum Wiederaufbau der Gesellschaft nach der Erfahrung eines Völkermordes an einem anderen Volk.
Vietnam hatte Kambodscha 1979 besetzt und die Roten Khmer vertrieben. Aufgrund der anhaltenden Kämpfe konzentrierte sich CCEF auf die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern in den Flüchtlingslagern an der thailändisch-kambodschanischen Grenze.
Mit grossem Mut ging Renée zu 40 Lehrerinnen und Lehrern in das Lager, das für die Flüchtlinge der Roten Khmer reserviert war und folgte damit ihrer Entscheidung von Caux, zu vergeben und um Vergebung zu bitten. “Ich war ruhig und gelassen. Ich wusste, dass der Hass in diesem Moment vorbei war.” Danach fragte einer der Offiziere sie: “Kann die Welt uns jemals vergeben?”
1991 beendete das Pariser Abkommen die Besetzung Kambodschas durch Vietnam. Renée kehrte zurück, um ihr Land wiederaufzubauen. Sie arbeitete mit der UN-Friedensmission im Vorfeld der demokratischen Wahlen von 1993 zusammen und förderte die Versöhnung an der Seite von Kolleginnen und Kollegen, die von den Ideen von Caux inspiriert waren. Eines ihrer Hilfsmittel war eine Khmer-Übersetzung des Buches von Irène Laure, For the Love of Tomorrow. Später half sie beim Aufbau des Nationalen Rechenzentrums von Kambodscha. Die politischen Bedingungen machten es jedoch unmöglich, das CCEF-Programm weiterzuführen.
Ich war ruhig und gelassen. Ich wusste, dass der Hass in diesem Moment vorbei war.
1994 luden Renée und andere Kambodschanerinnen und Kambodschaner, die von den Ideen von IofC inspiriert waren, David Channer, der “For the Love of Tomorrow” gedreht hatte, und seinen Sohn Alan ein, um Filme zu drehen, die Heilung und Erneuerung in Kambodscha fördern könnten. Mehr als 1.000 Kopien von zwei Filmen, “The Serene Smile” und “The Serene Life”, für die Renée als Beraterin fungierte, wurden im ganzen Land verteilt.
1998 wurde Renée buddhistische Nonne und nahm den Ordensnamen Ajahn Bodhipālā an. Sie ist jetzt Mitglied des buddhistischen Klosters Amaravati in Grossbritannien.
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Sehen Sie sich den Film For the Love of Tomorrow an, der Renées Leben verändert hat.
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Diese Geschichte ist Teil unserer Serie "75 Jahre der Geschichten" über Menschen, die durch Caux eine neue Richtung und Inspiration für ihr Leben gefunden haben - eine Geschichte für jedes Jahr von 1946 bis 2021. Wenn Sie eine Geschichte kennen, die sich für diese Serie eignet, leiten Sie Ihre Ideen bitte per E-Mail an John Bond oder Yara Zhgeib. weiter. Wenn Sie mehr über die Anfangsjahre von Initiativen der Veränderung und das Konferenzzentrum in Caux erfahren möchten, klicken Sie bitte hier und besuchen Sie die Plattform For A New World.
- Video: For the Love of Tomorrow, Initiativen der Veränderung
- Foto oben: Familie Pan
- Foto Renée in der Küche von Caux: Robert Lancaster
- Alle anderen Fotos: David Channer
- Korrekturlesung: Tatjana Horbenko-Enomoto