1968: Ramez Salame – "Ich gab meine Waffe weg"
11/06/2021
1968 fand in Caux ein Leadership-Trainingskurs für junge Menschen statt - ein Vorläufer der zahlreichen Folgeprogramme, wie dem heutigen Caux Peace and Leadership Programme.
Einer der Teilnehmenden war der 21-jährige Jurastudent Ramez Salamé aus Beirut, Libanon. Er war kurz vorher der Moralischen Aufrüstung (MRA, heute Initiativen der Veränderung begegnet und hatte sich die Praxis des inneren Hörens zu eigen gemacht. "Diese Zeiten der Stille waren eine Gelegenheit für Gott, an den ich allen Glauben verloren hatte, zu mir zu sprechen," sagt er. "Ich begann, mich wirklich für die Menschen um mich herum zu interessieren."
Einer der Gedanken, die ihm während diesen Zeiten der Stille kamen, war, seine beiden Schwestern ins Kino mitzunehmen, was damals für sie allein nicht möglich war. "Das bedeutete einen ersten Sieg über die totale Selbstbezogenheit, in der ich gelebt hatte. Dies brachte eine tiefe Freude in mein Leben."
In Caux setzte Ramez seine Entdeckungen fort. "Mein Zimmerkamerad sagte mir, dass ich, wenn ich eine neue Welt aufbauen wollte, mein Leben radikal ändern müsse. Während ich darüber nachdachte, notierte ich Dinge, die ich in Ordnung bringen musste; meine Beziehungen zu meinem Vater und Bruder und zu einigen Freunden, die ich verraten hatte, und ein Buch, das ich gestohlen hatte."
Das bedeutete einen ersten Sieg über die totale Selbstbezogenheit, in der ich gelebt hatte. Dies brachte eine tiefe Freude in mein Leben.
Er schrieb Entschuldigungsbriefe an seinen Vater und seine Freunde und gab das Buch zurück. "Das Schwierigste war, mich bei meinem jüngeren Bruder zu entschuldigen und meine Eifersucht zu gestehen. Aber als ich dem inneren Drängen nachgab, konnte ich es schliesslich tun. Dadurch wurde ich ein freier Mensch. Alte Gewohnheiten und aller Groll verschwanden."
Sieben Jahre später im Jahr 1975 brach der Bürgerkrieg zwischen den christlichen und muslimischen Gemeinschaften im Libanon aus. Ramez schloss sich einer christlichen Miliz an. "Eines Tages erkannte ich beim Beten, dass Gott einen wichtigeren Kampf führte als denjenigen, den ich gerade kämpfte. Ich gab meine Waffe weg. Später kam mir der Gedanke, die Trennungslinie in Beirut zu überqueren und muslimische Freunde zu treffen, die ich wegen des Krieges lange nicht gesehen hatte." Es war so gefährlich, dass er seiner Frau nicht erzählte, was er tat.
Eines Tages erkannte ich beim Beten, dass Gott einen wichtigeren Kampf führte als denjenigen, den ich gerade kämpfte. Ich gab meine Waffe weg.
Ramez und seine muslimischen Freunde starteten eine Reihe von Dialogtreffen, die einflussreiche Leute aus den verschiedenen Gemeinschaften und Parteien an einen Tisch brachten. In jenen schwierigen Jahren brachte er zahlreiche junge Libanesinnen und Libanesen nach Caux. "Ich teilte ein Zimmer mit einer jungen Libanesin," erinnert sich Ulli Ott Chanu. "Sie sprach Französisch, ich Englisch, also war es wirklich schwer, sich zu verständigen. Aber sie schenkte mir eine hölzerne Ikone, die ich immer noch habe. Jedes Mal, wenn ich sie sehe, denke ich an meine Zimmerkameradin und den Libanon. Das ist es, was Caux in Menschen bewirkt - die Welt öffnet sich und bringt einem Menschen nahe."
Die Dialoge wurden auch nach dem Ende des Krieges fortgesetzt. Ex-Kämpfer beider Seiten nahmen daran teil und sagten sich von den Gräueltaten los, an denen sie beteiligt gewesen waren. Einer von ihnen war Assaad Chaftari, früher Anführer einer christlichen Miliz. Heute arbeiten ehemaligen Feinde als Fighters for Peace zusammen, eine Organisation, die von Chaftari mitbegründet wurde, damit jüngere Libanesinnen und Libanesen entdecken, "was wir zu spät erkannt haben - dass in einem Bürgerkrieg alle verlieren." Sie halten Vorträge in Schulen und Universitäten, organisieren Sommercamps, wenden sich an Familien, die Angehörige verloren haben, und setzen Dialoge, Theater und eine Online-Bibliothek mit persönlichen Geschichten ein.
"Die Wiedergeburt meines persönlichen Glaubens hätte mich lediglich zu einem selbstzufriedenen und stolzen Christen machen können," sagt Ramez. "Aber Initiativen der Veränderung hat mich immer wieder herausgefordert, darüber hinauszugehen: auf andere zuzugehen - besonders auf meine muslimischen Landsleute - und mit ihnen für eine Erneuerung zu arbeiten, die zuerst in unserem eigenen Leben beginnen muss, auf der Basis unserer gemeinsamen Bedürfnisse."
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Sehen Sie ein Interview mit Ramez Salamé in englischer Sprache zum Thema "What dialogue requires to be fruitful" (Innerchange Documentary)
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Diese Geschichte ist Teil unserer Serie "75 Jahre der Geschichten" über Menschen, die durch Caux eine neue Richtung und Inspiration für ihr Leben gefunden haben - eine Geschichte für jedes Jahr von 1946 bis 2021. Wenn Sie eine Geschichte kennen, die sich für diese Serie eignet, leiten Sie Ihre Ideen bitte per E-Mail an John Bond oder Yara Zhgeib. weiter. Wenn Sie mehr über die Anfangsjahre von Initiativen der Veränderung und das Konferenzzentrum in Caux erfahren möchten, klicken Sie bitte hier und besuchen Sie die Plattform For A New World.
- Foto oben und Video: Inner Change
- Foto auf Terrasse in Caux: Initiativen der Veränderung
- Foto Mittelmeerdialog: Christoph Spreng
- Foto Assaad Chaftari: Initiativen der Veränderung
- Korrekturlesung: Maya Fiaux