Eröffnung von AEUB: 70 Jahre Vertrauensbildung in Europa
Caux-Pioniere geben den Stab an jüngere Generation weiter
20/07/2016
Vor 70 Jahren kauften 95 Schweizer Familien das Caux Palace Hotel als einen Ort, an dem sich Menschen aus den Kriegsgebieten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs treffen konnten. Das Jubliäumsjahr wird mit einer Reihe öffentlicher Events im Rahmen der Internationalen Caux-Konferenzen begangen.
Am Dienstag, den 19. Juli 2016, wurde die Konferenz "Damit Europa kein unvollendeter Traum bleibt" (AEUB) mit einem öffentlichen Event eröffnet, das sich mit dem Thema "Stabübergabe" beschäftigte. Vier Pioniere der Anfangszeiten von Caux berichteten aus den Gründerjahren des Konferenzzentrums. Zwei junge Menschen der heutigen Generation moderierten die Veranstaltung: Noucayba Soltani, Studentin aus Frankreich, und Jonathan Nelson, ein Lehrer aus Norwegen. Noucayba sagte: "Jeder von uns trägt Verantwortung für ein neues europäisches Konzept. Jeder kann einen Beitrag leisten. Wenn wir uns in der Welt umsehen, sieht es so aus, als ob nichts funktioniert. Es gibt Krieg, Flüchtlinge und niemand weiss, was man dagegen tun kann. Aber Europa sah sich schon früher grossen Herausforderungen gegenüber und hat sie überwunden. Wenn wir aus den Lektionen der Vergangenheit nichts lernen, sind wir dazu verdammt, alte Fehler zu wiederholen."
Jens Wilhelmsen aus Norwegen war als junger Mensch Mitglied der norwegischen Widerstandsbewegung, bevor er 1946 nach Caux kam. Elsa Vogel war Medizinstudentin in Paris und entkam nur knapp einem Massaker durch einen NS-Soldaten kurz vor der Befreiung der Stadt Paris. Fiona Daukes' Vater war britischer Marinepfarrer und blieb mit seinen Männern auf einem Schiff, das von einem deutschen Torpedo getroffen wurde und am Sinken war, obwohl er sein Leben hätte retten können. Und Charles Danguy aus Genf entdeckte Caux zufällig durch seine Liebe zum Schweizer Bahnsystem!
Für Jens war die Überwindung seines Hasses auf die Deutschen eine schwierige Angelegenheit. Aber nachdem er sich dazu durchgerungen hatte, fand er eine Liebe zu Deutschland, als er fünf Jahre lang bei Minenarbeitern im Ruhrgebiet lebte und "die Härte ihres Alltags und den Mut sah, mit dem sie sich für ihre Überzeugungen einsetzten". Er ist davon überzeugt, dass die Anstrengungen, die damals im Ruhrgebiet unternommen wurden, den dortigen Klassenkampf in eine Zusammenarbeit zwischen Unternehmensleitung und Arbeitern umwandelte.
Alle sprachen über die Herausforderung, durch ihre Zeit in Caux ehrlich an sich selbst zu arbeiten, sich zu verändern und Dinge richtig zu stellen, die ihr Gewissen belasteten. Elsa erkannt, dass sie es ihrer Familie übelnahm, dass sie auf Grund ihrer unehelichen Geburt anders behandelt wurde. "Ich erkannt, dass man nicht sein ganzes Leben lang in der Opferrolle leben kann. Man muss zu den Entscheidungen, die man getroffen hat, und zu deren Konsequenzen stehen und Schritte nach vorne gehen." Sie sagte, dass nach dieser Entscheidung "ein frischer Wind zu einem neuen Leben in mein Herz kam und ich mich wie ein neuer Mensch fühlte." Sie wurde vollzeitliche Mitarbeiterin bei IofC und arbeitete anschliessend auf allen fünf Kontinenten der Erde.
Charles unterstrich die Bedeutung einer anderen IofC-Methode: der "Stillen Zeit" - einer täglichen Zeit der Stille, um Korrektur und Richtung im Leben zu finden. In seinem Fall führte sie ihn zu 30 Jahren Einsatz mit IofC im Dienste der Mitglieder des Europäischen Parlaments sowie dem Aufbau von Verbindungen zwischen Abgeordneten und Bürgern in ganz Europa.
Fiona war 1946 bei ihrer Ankunft in Caux voller Hoffnung. Sie war 18 Jahre alt und vor allem von ihrem Zusammentreffen mit andernen jungen Menschen, "die ein besonderes Leuchten in ihren Augen und einen Sinn in ihrem Leben hatten", beeindruckt. Sie beschloss, ihre Schauspielkarriere aufzugeben und all ihre Zeit und Energie in die Arbeit mit IofC zu stecken. Und sie hat nie damit aufgehört. Sie und ihr Mann lebten anschliessend in vier verschiedenen europäischen Ländern. Sie sagte: "Wir müssen uns derzeit mit viel Wut, Hass und Gewalt auseinandersetzen, aber wenn wir auf unser Herz hören, um uns um andere zu kümmern und auf dieses 'kleine Stimmchen' hören, von der ich glaube, dass es die Stimme einer höheren Macht ist, dann schaffen wir etwas komplette Neues und Frisches auf unserem alten Kontinent, den wir so sehr schätzen und der uns gleichzeitig so sehr erbost."
Gilles Grin, Direktor der Jean Monnet-Stiftung und Historiker der Universität Lausanne, sprach zum Abschluss des Events über die Entwicklung der europäischen Union sowie ihre verschiedenen Phasen und Krisen. Seine Schlussfolgerung: "Das europäische Projekt ist relevanter denn je zuvor!"
Antoine Jaulmes, Präsident der Stiftung CAUX-Initiativen der Veränderung, eröffnete anschliessend offiziell die Konferenz AEUB und rief zu einer "notwendigen neuen Einstellung" auf, "um die Probleme Europas anzusprechen und den Mangel an Vertrauen zwischen europäischen Ländern zu überwinden."
Mehr über Antoine Jaulmes' Gedanken zu den Herausforderungen, denen sich Europa gegenübersieht, sehen Sie im anschliessenden Video (in französischer Sprache).
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