2001: Cornelio Sommaruga - "Grüss Gott!'
26/10/2021
Um die Jahrhundertwende war Cornelio Sommaruga Präsident der Stiftung von Caux und später von IofC International. Andrew Stallybrass arbeitete in Genf mit ihm zusammen. Er schreibt:
Ich habe Cornelio Sommaruga zum ersten Mal bei einer privaten Dinnerparty getroffen. Er war damals Leiter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) und kam gerade aus Kuba zurück, wo er mitten in der Nacht, kurz vor seiner Abreise, Fidel Castro getroffen hatte.
Nachdem er das Rote Kreuz verlassen hatte, wurde er 1999 Präsident der Stiftung von Caux. Er spielte eine wichtige Rolle bei der Umbenennung von Moral Re-Armament (Moralische Aufrüstung) zu Initiatives of Change (IofC) (Initiativen der Verönderung) im Jahr 2001 und bei der Gründung des Dachverbandes von IofC International im Jahr 2002, dessen erster Präsident er wurde.
Sein Engagement für IofC und die Konferenzen von Caux, insbesondere zum Thema menschliche Sicherheit, führte viele Personen in internationalen Kreisen dazu, diese schwer zu klassifizierende Bewegung neu zu bewerten. Mehrmals habe ich in Genf gehört, wie Leute sagten: „Wenn Cornelio dabei ist, muss ich mir das noch einmal ansehen!”
Wenn Cornelio dabei ist, muss ich mir das noch einmal ansehen!
Wir arbeiteten im Genfer IofC-Büro zusammen, in der Nähe der Vereinten Nationen und in Sichtweite seines früheren IKRK-Hauptquartiers. Eines Morgens, als wir die üblichen Förmlichkeiten austauschten, teilte ich ihm mit, dass ich ein wenig erschüttert sei - bei meiner Frau war gerade Brustkrebs diagnostiziert worden. Am nächsten Tag erhielt sie eine handgeschriebene Karte von ihm, und er hatte meine tiefe Dankbarkeit und Zuneigung gewonnen.
Sommaruga ist eine grosse, breite, imposante Erscheinung, die jeden mit "Grüss Gott" anredet. Er erklärt, dass man sich mit diesem Gruss, der in Österreich, Bayern und der Ostschweiz gebräuchlich ist, bei jeder Begegnung auf eine dritte Gegenwart beruft. „Wir sind nicht allein auf dieser Welt,” sagt er. Er hat Freunde auf allen Kontinenten. Er kennt die Welt - und die Welt kennt ihn!
Wir sind nicht allein auf dieser Welt.
Sommarugas Wurzeln liegen im Tessin, dem italienischsprachigen Kanton der Schweiz. Er wurde 1932 als erstes von sechs Kindern in einer nach Rom entsandten Schweizer Diplomatenfamilie geboren. Er nennt zwei Dinge, die ihn am meisten geprägt haben: den christlichen Glauben seiner Eltern und die Pfadfinderbewegung. Sein erster humanitärer Einsatz war, als Freiwilliger auf einer Wallfahrt nach Lourdes den Behinderten zu helfen.
Bis zu seinem 20. Lebensjahr besass er die schweizerische und italienische Doppelstaatsbürgerschaft. Sein Vater schickte ihn in eine Privatschule, damit er sich nicht der faschistischen Jugendbewegung in Mussolinis Italien anschliessen musste. Während des Krieges blieb sein Vater zwei Jahre lang in Rom, während der Rest der Familie gleich jenseits der Schweizer Grenze in Lugano lebte. Beide Eltern halfen Juden, der Verfolgung zu entkommen - sein Vater füllte die Betten der Kinder in Rom mit Menschen auf der Flucht, und seine Mutter half Flüchtlingen, sich in der Schweiz niederzulassen. Diese Erfahrungen vermittelten ihm ein besonderes Verständnis für den Holocaust und das jüdische Volk.
Heute, mit fast 90 Jahren, kämpft er darum, sich von Long Covid zu erholen. An den Wänden seines Zimmers im Erholungsheim hängen Bilder seiner sechs Kinder und 16 Enkelkinder, die sich einmal im Jahr über Pfingsten versammeln und schon allein ein kleines Hotel beinahe füllen.
Sommaruga bleibt Ehrenpräsident der IofC International Association. Er spricht von einem "wunderbaren internationalen Netzwerk von motivierten Menschen," sieht aber die Notwendigkeit von mehr Transparenz zwischen den nationalen Gruppen.
Er führte das Thema "Globalisierung der Verantwortung für die menschliche Sicherheit" in die Caux-Konferenzen ein. Er ist besorgt darüber, dass die Welt den eigentlichen Ursachen der Gewalt zu wenig Aufmerksamkeit schenkt: "Die enormen wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten zwischen und innerhalb von Staaten; der legale und illegale Waffenhandel insbesondere von Kleinwaffen." Die Zivilgesellschaft muss seiner Meinung nach versuchen, diesen Kräften entgegenzuwirken.
„Sie braucht einen multilateralen, interkulturellen und interreligiösen Ansatz,” betont er. Aber er ist davon überzeugt, dass wir nicht alleine sind. "Die Macht, die uns den freien Willen gegeben hat, kann diejenigen, die guten Willens sind, dazu inspirieren, sich für eine bessere Zukunft einzusetzen. Es gibt mehr Menschen, als Sie denken, die von Gott oder ihrem Gewissen inspiriert sind und sich für einen wahren und dauerhaften Frieden einsetzen.” Sommaruga ist überzeugt, dass jeder von uns „eine ethische Verantwortung hat, sich für Versöhnung durch Vergebung und Gerechtigkeit einzusetzen,” angefangen bei uns selbst.
Wenn ich an Sommaruga in Caux denke, sehe ich ihn, wie er am Dessertbuffet im Speisesaal Eis serviert und dabei lacht. Es ist wichtig zu dienen und dabei gesehen zu werden.
Die Macht, die uns den freien Willen gegeben hat, kann diejenigen, die guten Willens sind, dazu inspirieren, sich für eine bessere Zukunft einzusetzen.
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Diese Geschichte ist Teil unserer Serie "75 Jahre der Geschichten" über Einzelpersonen, die durch Caux eine neue Richtung und Inspiration für ihr Leben gefunden haben - eine Geschichte für jedes Jahr von 1946 bis 2021. Wenn Sie eine Geschichte kennen, die sich für diese Serie eignet, leiten Sie Ihre Ideen bitte per E-Mail an John Bond oder Yara Zhgeib. weiter. Wenn Sie mehr über die Anfangsjahre von Initiativen der Veränderung und das Konferenzzentrum in Caux erfahren möchten, klicken Sie bitte hier und besuchen Sie die Plattform For A New World.
- Foto Somalia: IKRK / Pierre Boussel
- Foto 2006: Isabelle Mermindo
- Alle anderen Fotos: Initiativen der Veränderung
- Korrekturlesung: Maya Fiaux