1949 - Max Bladeck: Jenseits des Klassenkampfes
05/02/2021
Max Bladeck trat in den 1920er Jahren als junger Bergarbeiter der Kommunistischen Partei in Deutschland. Er blieb der Partei während der Hitlerjahre treu, als Zehntausende von Kommunisten inhaftiert wurden oder ihr Leben verloren. Als er 1949 in Caux ankam, waren seine Lungen von Silikose befallen und er konnte nicht mehr in den Bergwerken arbeiten. Er war Vorsitzender des Betriebsrats einer der Gruben in seiner Stadt Moers und Mitglied des Landesvorstands der Partei in Nordrhein-Westfalen.
Max verliss Caux mit der Überzeugung, es müsse einen besseren Weg zu sozialer Gerechtigkeit als den Klassenkampf geben. Er hatte gesehen, dass Kapitalistinnen und Kapitalisten ihr Verhalten ändern konnten und dass der Weg zum Weltfrieden darin bestand, "Feinde zu Freunden" zu machen. Er und andere deutsche Kommunistinnen und Kommunisten, die in Caux gewesen waren, besuchten die Parteizentrale und empfahlen ihr, mehr über die "revolutionären Ideen" der Moralischen Aufrüstung herauszufinden.
Bladeck war den Ideen von Caux einige Monate zuvor zum ersten Mal begegnet, als ein internationales Team mit dem Theaterstück "Der vergessene Faktor" nach Moers kam, in dem es um einen Arbeitskonflikt ging, der durch eine Veränderung der Einstellungen aller Konfliktparteien gelöst wurde. Dieser Besuch war Teil einer zweijährigen Kampagne im Ruhrgebiet, dem Herzen der deutschen Kohle- und Stahlindustrie. Das Gebiet war lebenswichtig für den Wiederaufbau Deutschlands und ein Testfeld für marxistische und andere Ansätze in der Industrie. Etwa 120.000 Menschen im Ruhrgebiet sahen das Stück zwischen 1948 und 1950.
In jeder Stadt wurden die Schauspielerinnen und Schauspieler sowie die Crew lokal untergebracht. Max und seine Frau Grethe stellten dem jungen Norweger Jens Wilhelmsen ein Sofa im Wohnzimmer ihrer Dreizimmerwohnung zur Verfügung. Jeden Abend diskutierten die beiden Männer bis spät in die Nacht hinein ideologische Fragen.
Unsere ideologischen und politischen Standpunkte lagen immer noch weit auseinander, aber ein gewisses Vertrauen wuchs zwischen uns.
Jens machte kaum Fortschritte, bis er bei seiner Morgenmeditation einen unerwarteter Gedanke hatte: "Hör auf, Max darüber zu belehren, was an der Sache, der er sein Leben gewidmet hat, falsch ist. Sag ihm stattdessen, wo du selber ein Problem hast, das zu leben, was du predigst." An diesem Abend erzählte Jens Max von Zeiten, in denen er nicht nach seinen Idealen gelebt hatte. Zu seiner Überraschung begann Max, in gleicher Weise zu reagieren. "Unsere ideologischen und politischen Standpunkte lagen immer noch weit auseinander, aber ein gewisses Vertrauen wuchs zwischen uns.", so Jens.
Nachdem das Stück Moers wieder verlassen hatte, kamen die Entscheidungsträgerinnen und -träger der Stadt aus Politik und Gewerkschaften zusammen, um weiter zu diskutieren. Die Kommunisten warfen der MRA lautstark vor, das Spiel des Klassenfeindes zu spielen. Am Ende liess Max eine Bombe platzen: "Genossen! Wir wissen, dass der Marxismus die These und der Kapitalismus die Antithese ist. Könnte es sein, dass die MRA eine Synthese ist?"
Dieser Vorschlag wurde als Ketzerei angesehen. Die Dinge wurden nur noch schlimmer, als Max und seine Kolleginnen und Kollegen nach Caux gingen. Als sie schliesslich die Kommunistische Partei herausforderten, den Ansatz der MRA zu übernehmen, wurden sie aus der Partei ausgeschlossen und sahen sich einer Kampagne von Verleumdungen und Drohungen ausgesetzt. Doch als die Betriebsratswahlen anstanden, erhielten die meisten mehr Stimmen als je zuvor.
Dieses Muster wiederholte sich im ganzen Ruhrgebiet. Zwischen 1948 und 1950 sank der Anteil der Kommunisten in den Betriebsräten von Kohle und Stahl von 72 Prozent auf 25 Prozent. Die verbesserten Arbeitsbeziehungen spiegelten sich in einem neuen Gesetz zur Mitbestimmung in der Schwerindustrie wieder, das den Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmern die Hälfte der Sitze in den Unternehmensvorständen einräumte und die Führung des Unternehmens in die Hände von drei Direktoren legte, von denen einer von den Gewerkschaften vorgeschlagen wurde.
1950 sagte der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Artur Sträter, "die Ideologie von Caux" habe einen "grossen Engpass" in der deutschen Kohleproduktion durchbrochen. Viele Faktoren spielten eine Rolle bei Deutschlands Nachkriegs-Wirtschaftswunder: die Besuche von Arbeiterinnen, Arbeitern sowie Unternehmerinnen und Unternehmern in Caux waren ein Teil davon.
Sehen Sie ein Video mit Max Bladeck in Caux (22'45)
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Diese Geschichte ist Teil unserer Serie "75 Jahre der Geschichten" über Einzelpersonen, die durch Caux eine neue Richtung und Inspiration für ihr Leben gefunden haben - eine Geschichte für jedes Jahr von 1946 bis 2021. Wenn Sie eine Geschichte kennen, die sich für diese Serie eignet, leiten Sie Ihre Ideen bitte per E-Mail an John Bond oder Yara Zhgeib. weiter. Wenn Sie mehr über die Anfangsjahre von Initiativen der Veränderung und das Konferenzzentrum in Caux erfahren möchten, klicken Sie bitte hier und besuchen Sie die Plattform For A New World.
- Fotos: Initiativen der Veränderung
- Video: IofC Film Archives
- Übersetzung/Korrekturlesung: Maya Fiaux