2012: Merel Rumping – Hinken mit Würde

Von Michael Smith

01/12/2021
Merel Rumping

 

Merel Rumping

Als Merel Rumping aus den Niederlanden 2012 zum ersten Mal nach Caux kam, hatte sie ein Ziel vor Augen: "Ich wollte herausfinden, wie ich durch meine berufliche Tätigkeit zu einer gerechteren Welt beitragen kann."

Merel hatte sich bei ihrem Master-Abschluss in internationalen Beziehungen mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsethik befasst. Daher hatte sie ein besonderes Interesse an den jährlichen Wirtschaftsforen von Caux zum Thema Vertrauen und Integrität in der globalen Wirtschaft, an denen sie fünf Jahre lang teilnahm. Ein Gespräch mit einem kolumbianischen Geschäftsmann dort half ihr, ihre Frage zu beantworten.

Als sie 20 Jahre alt war, hatte sie drei Monate lang als Freiwillige in einem kolumbianischen Waisenhaus in Medellin gearbeitet, wo sie mit Strassenkindern und ehemaligen Kindersoldaten, von denen viele süchtig waren, zu tun hatte. Drei Jahre später, im Jahr 2006, kehrte sie für sechs Monate nach Kolumbien zurück, um mit einer Mikrofinanzagentur, Women’s World Banking, zusammenzuarbeiten. Dort sah sie das Potenzial für soziales Unternehmertum.  

    Was Merel am meisten beeindruckte, war die grosse Zahl von Menschen, die durch Landminen ihre Gliedmassen verloren hatten.

Was Merel bei ihren Besuchen in Kolumbien am meisten beeindruckte, war die grosse Zahl der Menschen, die während des mehr als fünf Jahrzehnte währenden Bürgerkriegs durch Landminen ihre Gliedmassen verloren hatten. In einem Dorf, das sie besuchte, gab es 300 Landminenopfer.

Der kolumbianische Geschäftsmann in Caux machte sie mit einem Niederländer bekannt, der für eine orthopädische Werkstatt in Asien arbeitete. In Gesprächen mit ihm entwickelte sie die Vision, wie sie Amputierten mit geringem Einkommen eine erschwingliche prothetische Versorgung bieten könnte.

 

Keren Merel Rumping
Keren (6) aus Kolumbien: Rollschuhlaufen und Laufen mit ihrer Prothese: "Dank meiner Prothese kann ich in den Bergen laufen, was ich am meisten liebe. Und ich kann Schlittschuh laufen, Fahrrad fahren, Gymnastik machen, rennen und tanzen."

 

Studierende der Technischen Universität Delft reisten mit ihr nach Kolumbien, um sich vor Ort ein Bild von den Schwierigkeiten zu machen. Eine davon waren die Entfernungen. Die orthopädischen Zentren befinden sich hauptsächlich in den Städten, so dass die Menschen weite Strecken zurücklegen müssen, ohne genau zu wissen, wohin sie gehen sollen", schrieb sie. "Bezüglich der Produkte stellten wir fest, dass viele Menschen zwar eine Prothese besassen, diese aber unter ihr Bett gelegt hatten, weil sie schmerzte. Einige Orthopädietechnikerinnen und - techniker in Kolumbien haben nie eine professionelle Ausbildung in der Herstellung von Prothesen erhalten."

    Viele Menschen besassen zwar eine Prothese, hatten sie aber unter ihr Bett gelegt, weil sie schmerzte.

Sie erkannte, dass lokale Kliniken und eine Methode zur Herstellung von Prothesen, die auf die Bedürfnisse jedes Amputierten zugeschnitten war, vor Ort benötigt wurden. Andernfalls konnte es bis zu zwei Jahre dauern, bis ein amputierter Mensch eine Prothese erhielt, was zu Einkommensverlusten für die betroffene Person und ihre Familie führte.

Merel Rumping in clinic in Tunja with Nina, Durch clinical engineer working on 3D printer and 90 year-old client
Merel (rechts) und ein 90-jähriger Patient in Tunja
Merel Rumping Profort
Merel (Mitte) bei Profort in Tunja

Mit Unterstützung der Strathclyde University entwickelte Merels Team 2016 eine Majicast-Schaftproduktionseinheit: einen röhrenförmigen Tank mit Gussmaterial, in den der stehende Patient die amputierte Gliedmasse einlegt. So entsteht eine Form, mit der fast sofort ein massgeschneiderter, komfortabler Schaft hergestellt werden kann.

Die Finanzierung durch Google Impact Challenge Funding verhalf dem Team zu einem Blitzstart. Sie demonstrierten Majicast in mehreren Teilen Kolumbiens. Im Jahr 2019 arbeitete die Universität Strathclyde, die das Patent besass, weiter an Majicast, während Merel sich mit ihrem eigenen Sozialunternehmen Carewithinreach auf die Gründung von orthopädischen Pflegekliniken konzentrierte.

Ihr erstes orthopädisches Zentrum wurde 2021 in der kleinen Stadt Tunja mit Hilfe des Investors Buxeros Capital eröffnet.

Die Covid-Pandemie und die Unruhen in Kolumbien haben das Vorhaben verzögert. Doch bis Ende November 2021 konnte das Zentrum 220 Patientinnen und Patienten helfen.

Merel ist derzeit in Gesprächen mit einem weiteren Investor für die zweite und dritte Klinik. Ihr Ziel ist es, fünf oder sechs lokale Pflegekliniken im ganzen Land zu errichten.

 

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Sehen Sie das Video über die 6-jährige Keren und das Leben mit ihrer Prothese

 

 

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Diese Geschichte ist Teil unserer Serie "75 Jahre der Geschichten" über Einzelpersonen, die durch Caux eine neue Richtung und Inspiration für ihr Leben gefunden haben - eine Geschichte für jedes Jahr von 1946 bis 2021. Wenn Sie mehr über die Anfangsjahre von Initiativen der Veränderung und das Konferenzzentrum in Caux erfahren möchten, klicken Sie bitte hier und besuchen Sie die Plattform For A New World.

 

 

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