Ein Kreuz von Hiroshimas "Ground Zero"

Ein Blog von Caux Palace-Historiker Andrew Stallybrass

26/01/2024
Hiroshima cross square DE

 

Dank seiner langen und reichen Geschichte ist der Palast von Caux immer für eine Überraschung gut! Und so kann ein scheinbar normales Ereignis in Caux unerwartet als Erinnerung an bedeutende Momente der Vergangenheit dienen, faszinierende Geschichten wieder aufleben lassen und uns dazu bringen, in die Geschichte einzutauchen, um mehr herauszufinden. Letzte Woche reiste unser Caux Palace-Historiker Andrew Stallybrass nach Lausanne, um ein kleines Holzkreuz aus Hiroshima, das Initiativen der Veränderung in den 1950er Jahren als Zeichen des Friedens und der Versöhnung geschenkt worden war, auf Radioaktivität untersuchen zu lassen:

Im Jahr 1950 kam eine Delegation mit 67 Japanerinnen und Japanern aus Politik, Gewerkschaften und Industrin nach Caux, die ihr Land nach der Kriegsniederlage wiederaufbauen wollten. Als sie im Caux Palace ankamen, wehte die japanische Flagge vor dem Konferenzzentrum und die Delegation wurde von einem auf Japanisch singenden Chor empfangen. Es war ein bewegender Moment, denn damals stand Japan noch unter amerikanischer Besatzung und das Zeigen der japanischen Flagge war noch verboten.

Der Delegation gehörten die Bürgermeister von Hiroshima und Nagasaki sowie sieben Präfekturgouverneure an. Nach ihrem Aufenthalt in Caux trafen sie politische Entscheidungstragende in Paris, Bonn, Rom, London und Washington. In einer Rede vor dem amerikanischen Senat entschuldigte sich der persönliche Vertreter des japanischen Premierministers für "Japans grossen Fehler" und sagte: "Wir bitten Sie um Vergebung. Wir haben in Caux den wahren Inhalt der Demokratie gefunden". Der Senat reagierte mit stehenden Ovationen, ebenso wie das Repräsentantenhaus am nächsten Tag.

 

Hiroshima cross testing Jan 2024 Historical photos Japanese delegation
Links: Die Bürgermeister von Hiroshima und Nagasaki in Caux, 1950. Mitte: Die japanische Delegation. Rechts: Yukika Sohma (Fotos: Initiativen der Veränderung)

 

Am fünften Jahrestag des Abwurfs der Bombe auf Hiroshima war die Delegation in Kalifornien. Sie wurden eingeladen, im Radiosender CBS sprechen und Yukika Sohma, eine junge Japanerin, die als Übersetzerin mit der Delegation reiste, beschrieb Caux als eine "Völkerfamilie, in der Rassen-, Klassen- und Meinungsunterschiede überwunden wurden... wir sahen und erlebten die Versöhnung der Herzen".

Der Bürgermeister von Hiroshima, Shinzo Hamai, meldete sich in der Sendung ebenfalls zu Wort und zitierte Worte, die er in Caux gehört hatte: "Frieden bedeutet, dass Menschen anders werden". Er erklärte auch: "Ich für meinen Teil beabsichtige, diese Bemühungen von Hiroshima aus zu starten. Der einzige Traum und die einzige Hoffnung, die unseren überlebenden Bürgerinnen und Bürgern bleibt, ist der Wiederaufbau der Stadt als Muster für den Frieden".

An vielen Orten, so auch im Caux Palace, überreichte der Bürgermeister (selbst Christ) als Geschenk seiner Stadt ein kleines Holzkreuz. Auf der Tafel unter dem Kreuz steht: "Ein riesiger, 400 Jahre alter Kampferbaum stand in der Ecke eines Tempels namens "kokutaiji", in dem die sterblichen Überreste der Feudalherren von Hiroshima beigesetzt sind. Dieses Kreuz wurde aus dem Baum gemacht, nachdem er durch die Explosion der Atombombe am 6. August 1945 zerstört worden war."

 

Hiroshima cross text
Inschrift auf dem Kreuz

 

Ein Kreuz wurde der Baronin Diane de Watteville überreicht, der Gastgeberin des ehemaligen Zentrums von Initiativen der Veränderung (damals bekannt als Moralische Aufrüstung) in Paris. Vor ihrem Tod übergab sie es zwei engen IofC-Freunden, Michel und Catherine Koechlin, die es wiederum uns meiner Frau Eliane und mir zur Aufbewahrung anvertrauten.

Im September 2023 stellten wir anlässlich einer grossen Veranstaltung im Caux Palace eine kleine, temporäre Ausstellung von Dokumenten und Objekten im Salon Belle Epoque zusamment, darunter auch das Kreuz aus Hiroshima. Mehrere Leute kommentierten dies und einige fragten sich sogar, ob es gefährlich sei - radioaktiv.

Ich muss gestehen, dass mir dieser Gedanke nie in den Sinn gekommen war, obwohl er absolut naheliegend war. Ich befand mich damals in radiologischer Behandlung im örtlichen Krankenhaus. Der leitende Techniker dort sagte, dass seine Geräte das Kreuz nicht testen könnten, aber er setzte mich mit seinen Kollegen in Lausanne in Verbindung, wo das Kreuz am 16. Januar 2024 auf Radioaktivität untersucht wurde.

 

Hiroshima cross testing Jan 2024
Untersuchtung des Kreuzes in Lausanne, initiiert vom Historiker Andrew Stallybrass (Fotos: Abigayle Mapanao)

 

Zu unserer Erleichterung stellten wir fest, dass keinerlei Gefahr besteht. Die Messungen des Kreuzes mit verschiedenen Detektoren ergaben den gleichen Grad an Radioaktivität wie die Hintergrundstrahlung im Raum.

Die Techniker erklärten, dass der Baum, aus dem das Kreuz gefertigt wurde, die Explosion einige Jahre lang überlebt hatte und die Radioaktivität über seine Wurzeln aufgenommen haben könnte. Die Aussenseite des Baumes schützte den Kern jedoch vor jeglicher Kontamination.

Im Jahr 2015 schickte der derzeitige Bürgermeister von Hiroshima, Kazumi Matsui, einen Brief an die Stiftung Caux Initiativen der Veränderung, in dem er erklärte, wie sehr der Besuch in Caux im Jahr 1950 den damaligen Bürgermeister Shinzo Hamai und seinen Kollegen aus Nagasaki beim Wiederaufbau Japans nach der Bombardierung beeinflusst hatte.

In seinem Brief an Caux forderte Kazumi Matsui eine "Welt, in der wir einen zukunftsorientierten Dialog führen können" und schrieb: "Wenn jeder Mensch auf die Stimme seines Gewissens hört, kann er sich in eine positive Richtung orientieren und positive Veränderungen nicht nur in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Schule, in der Gemeinde und in der Nation herbeiführen, sondern auch in den Beziehungen zwischen Menschen und Ländern."

Heute ist die Botschaft von Frieden und Versöhnung, die mit diesem kleinen Holzkreuz aus Hiroshima verbunden ist, wichtiger denn je.

Wenn jeder Mensch auf die Stimme seines Gewissens hört, kann er sich in eine positive Richtung orientieren und positive Veränderungen nicht nur in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Schule, in der Gemeinde und in der Nation herbeiführen, sondern auch in den Beziehungen zwischen Menschen und Ländern.

Kazumi Matsui, Bürgermeister von Hiroshima 2015 in einem Brief an die Stiftung Caux Initiativen der Veränderung

 

 

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Von Andrew Stallybrass (unterstützt von U. Ott Chanu)

Video: IofC Filmarchive

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