Der Imam und der Pastor: Wenn Feinde lernen, einander zu vertrauen

20/09/2019
Imam and Pastor

 

Wenn Sie Pastor James Wuye und Imam Muhammad Ashafa treffen, würden Sie nicht glauben, dass dieses freundliche und dynamische Duo einst verfeindet war und gegensätzliche bewaffnete Milizen in den konfliktgeprägten Gemeinden im Norden Nigerias anführte. In der preisgekrönten Dokumentation "Der Imam und der Pastor" und der Fortsetzung "Eine afrikanische Antwort"(FLTfilms) erzählen sie die Geschichte ihrer Aussöhnung und den Weg zum gegenseitigen Vertrauen.

Die internationale Dimension ihrer Geschichte hat ihren Ursprung 2004 im schweizerischen Caux, als der britische Filmemacher David Channer beschloss, über ihre unglaubliche Geschichte einen Dokumentationsfilm zu drehen. „Caux war der Ausgangspunkt, wo im Schneeballeffekt aus unseren Aktivitäten etwas Grosses wurde“, so Pastor Wuye. Beide Männer unterschätzten den Einfluss, den der Film weltweit hatte. Er wurde mittlerweile in 17 Sprachen übersetzt und zum Brückenbau in vielen Konfliktgebieten eingesetzt.

Seit dem Dreh befinden sich Pastor Wuye und Imam Ashafa, wie sie selbst sagen, auf „einer Reise der Vergebung und des Heilens über religiöse Spaltungen hinweg". Aktuelle Projekte in ihrer Heimat Nigeria umfassen die Konfliktbewältigung zwischen Viehhirten, Viehhirtinnen und niedergelassenen Bauern und Bäuerinnen, wofür sie 2017 mit dem UN Award for Intercultural Mediation ausgezeichnet wurden sowie das fünfjährige Projekt TOLERANCE, das Entscheidungsträgerinnen und -träger im friedlichen religiösen und nationalen Miteinander weiterbildet. Zuletzt wurden sie zu Beratern der Afrikanischen Union für die Bekämpfung von Korruption und den Dialog zwischen Glaubensgemeinschaften ernannt.

 

"Besiege Angst mit Vertrauen" - Imam Ashafa

Imam Ashafa in Caux in 2012
Imam Ashafa 2012 in Caux

Wie können extreme Gegensätze „ihre Energie bündeln und die Welt zu einem besseren Ort machen“? Alles basiert darauf, Vertrauen zu schaffen. „Sobald Vertrauen hergestellt wurde, gibt es nichts mehr, was nicht erreicht werden kann“, erläutert Pastor Wuye. „Es ist ein Prozess, bei dem Menschen, Gemeinden und Einrichtungen zusammenkommen und gemeinsam eine bessere Zukunft gestalten. Wenn wir die Probleme der Welt heute lösen wollen, müssen wir lernen, einander zu vertrauen.“

„Heute regiert immer mehr die Angst, weil Vertrauen mehr und mehr verloren geht“, warnt Imam Ashafa. „Man kann Angst nur mit Vertrauen besiegen.“ Weil sie Angst vor ihren Nachbarn haben, glauben Menschen, dass sie mehr Zäune, Kameras und Waffen brauchen. Dabei trifft das Gegenteil zu, so Imam Ashafa: „Um sich sicher zu fühlen, muss man seinem Nachbarn vertrauen.

Man braucht mehr Menschen um sich herum, um Grosses zu erreichen. Es geht im Leben nicht darum, als Person isoliert zu sein.“ Er erklärt, bei Vertrauen stehe nicht im Mittelpunkt, sich selbst durch andere verwundbar zu machen, sondern  „der anderen Person die Möglichkeit zu bieten, sich sicher zu fühlen, ohne dafür im Gegenzug etwas zu verlangen.“ Dies spiegelt sich auch in der Idee von Initiativen der Veränderung wider, für Vertrauensbildung einen sicheren Ort ohne Verurteilung, mit reinen Absichten, Selbstlosigkeit, Liebe und Ehrlichkeit gegenüber dem „Feind“ zu schaffen.

 

"Durch Liebe überwinden" – Pastor Wuye

 

Pastor Wuye speaking in Caux in 2012
Pastor Wuye bei einer Ansprache in Caux 2012

„Vertrauen ist wie das Weitergeben von Liebe“, sagt Pastor Wuye. „Du musst diese Liebe teilen, damit sie die Person auf der anderen Seite überwältigt und sie dich liebt.“

„Bei Vertrauen geht es auch um die bedingungslose Liebe gegenüber seinem Nachbarn“, bestätigt Imam Ashafa. Er legt seinen Arm um die Schultern von Pastor Wuye und sagt: „Heute fühle ich mich sicherer, weil ich jemanden in meinem Leben habe, der kein Muslim ist, nicht aus meinem Stamm kommt, nicht meiner Kultur angehört und mit dem ich nicht so viel gemeinsam habe. Weil wir einander vertrauen, können wir gemeinsam handeln.“

Und was ist mit denjenigen, die von Menschen, denen sie vertraut haben, enttäuscht wurden? Der Rat von Pastor Wuye lautet, nicht aufzugeben: „Bemühe dich um diese Person, denn Vertrauen ist ein Prozess, den man gestalten muss.“

Die gemeinsamen Leiter des Interfaith Mediation Centre, Dr. Imam Muhammad Nurayn Ashafa und Dr. Pastor James Wuye, waren im Dezember 2018 Referenten beim Jahrestreffen des Kompetenzzenetrums für humanitäre Verhandlungen (CCHN) in Genf. Am Weltfriedenstag geben wir ihre Überlegungen zur Bedeutung von Vertrauensbildung für Frieden und Aussöhnung weiter. 

 

Text: Sabrina Thalmann

 

Featured Story
Off
Topics
Trustbuilding